Erinnerungen an die Nationalratswahlen 1995 und 2008 werden wach. Die SPÖ macht Druck, bei der Pensionserhöhung einen Hunderter als Einmalzahlung draufzulegen, die ÖVP zögert.
Wien. Es ist beileibe nicht das einzige Thema, bei dem sich die beiden Regierungsparteien erst zusammenraufen müssen. Aber der Konflikt um die Pensionserhöhung im kommenden Jahr und ausstehende Pensionsreformen macht besonders deutlich, wie sehr SPÖ und ÖVP schon, „wenn gar nichts mehr geht“ (Tirols Landeshauptmann, Günther Platter), etwaige vorgezogene Nationalratswahlen im Auge haben. Schließlich spielen dann die Stimmen von mehr als zwei Millionen Pensionisten eine entscheidende Rolle.
Es geht um 220 Millionen Euro
Bei der Pensionserhöhung für 2017 setzt die SPÖ den Koalitionspartner bewusst zunehmend unter Druck. An sich gibt es eine gesetzliche Vorgabe: Demnach werden die Pensionen im Ausmaß der Teuerung erhöht – das sind 0,8 Prozent. Nach SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha haben sich Sozialminister Alois Stöger und Bundeskanzler Christian Kern („nicht bei den Falschen sparen“) für eine zusätzliche Einmalzahlung von 100 Euro netto starkgemacht. Im Budget 2017 ist dafür kein Geld veranschlagt.
Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist verärgert, dass die SPÖ zusätzlich 220 Millionen Euro unter den Pensionisten verteilen will, während nicht einmal das von ihm am 29. Februar mit Stöger ausgehandelte kleine Pensionsreformpaket beschlossen ist. Zwar sinkt der Bundeszuschuss zu den Pensionen 2017 auch wegen des im Schnitt gestiegenen Pensionsantrittsalters um 90 Millionen Euro auf 10,68 Milliarden Euro. Bis 2020 wird aber ein Anstieg auf 13,3 Milliarden Euro prognostiziert.
Keine leichte Aufgabe für Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der um eine Entschärfung der Lage bemüht war. Denn nicht nur in der SPÖ, sondern auch in der ÖVP gibt es vor allem bei Funktionären das Argument, gerade angesichts der Flüchtlingskosten könne man die Pensionisten nicht mit einem mageren Plus von 0,8 Prozent abspeisen. Spätestens bis zum Budgetbeschluss Ende November muss eine Entscheidung fallen.
Zeit für Pensionspaket knapp
Dazu kommt, dass Mitterlehner und die ÖVP an einer zweiten Pensionsfront mit dem Sozialminister kämpfen. Stögers Gesetzesentwurf sieht sogar einen Rückschritt hinter eine schwarz-blaue Reform vor und würde längerfristig höhere Budgetzuschüsse zulassen. Es wird weiter verhandelt, aber für einen rechtzeitigen Beschluss für eine Neuregelung ab 2017 wird die Zeit knapp. Noch ist nicht einmal der Entwurf in Begutachtung.
Nichts, was nicht schon da gewesen wäre, gerade vor vorgezogenen Nationalratswahlen. Im Herbst 1995 ging die Regierung von Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel in die Brüche, weil die ÖVP auf Reformen bei Frühpensionen drängte. Vranitzky wandte sich im Wahlkampf in einem „Pensionistenbrief“ gegen Einschnitte, die SPÖ gewann bei der Wahl knapp vor Weihnachten dazu, Einsparungen bei Pensionen gab es bei der Neuauflage von Rot-Schwarz dennoch.
Nach dem „Es reicht“ von ÖVP-Chef Wilhelm Molterer standen bei der vorgezogenen Nationalratswahl im September 2008 wieder die Pensionisten(-Stimmen) ganz im Mittelpunkt. SPÖ-Spitzenkandidat Ex-Bundeskanzler Werner Faymann machte mit Pensionsvergünstigungen Druck – und die ÖVP stimmte wenige Tage vor der Wahl zu.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)