War Neonazi Böhnhardt pädophil?

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Zwei Kriminalfälle, eine Verbindung: Neben dem Skelett der neunjährigen Peggy K. fand die Polizei DNA-Material. Es stammt vom NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt.

Berlin/München. In einem Waldstück bei Nordhalben, im Norden Bayerns gelegen, fand ein Pilzsammler am 2. Juli die sterblichen Überreste von Peggy K. Das neunjährige Mädchen aus dem 15 Kilometer entfernten Lichtenberg wurde seit 2001 vermisst. Es war von der Schule nicht mehr nach Hause gekommen.

Die Polizei ging von einem Täter im engsten Umfeld aus, von einem Nachbarn, einem Verwandten, einem Freund der Familie, der die Gegend um Lichtenberg gut kannte. Doch seit Donnerstag ist diese These nicht mehr zu halten. Auf einem winzigen Stück Stoffdecke, das in der Nähe von Peggys Skelett gelegen war, stellten die Kriminaltechniker die DNA eines bekannten Mannes sicher: Uwe Böhnhardt, Mitglied der Terrorvereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

Gemeinsam mit Uwe Mundlos soll Böhnhardt zwischen 2000 und 2011 neun ausländische Unternehmer und eine Polizistin getötet haben. Ihrer Verhaftung entzogen sich die beiden dann durch Suizid. Beate Zschäpe, die Dritte im Bunde, steht seit 2013 in München wegen Mittäterschaft vor Gericht.

Der NSU-Prozess hat nun eine neue Dimension bekommen, eine nicht minder grausame. Der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, Vertreter der Nebenanklage, forderte Zschäpe am Freitag auf, eine Aussage zu machen. Als Peggy verschwand, lebte sie mit Böhnhardt und Mundlos in Zwickau, keine 100 Kilometer von Lichtenberg entfernt.

Auch andere Spuren, die den Ermittlern bisher Rätsel aufgaben, bekommen eine neue Bedeutung. Im Brandschutt der Wohnung in Zwickau wurde eine Festplatte mit kinderpornografischem Material sichergestellt. Und aus dem Wohnmobil, in dem die Leichen von Böhnhardt und Mundlos gelegen waren, nahm die Polizei einen verkohlten Plüschteddy, eine Puppe und einen Kinderschuh mit. Die Dinge, so vermutete man, könnten Kindern von NSU-Unterstützern gehört haben, die im Wohnmobil zu Besuch waren. Auch eine unbekannte, weibliche DNA wurde gefunden – wenn auch nicht jene von Peggy.

Missbrauch im Neonazi-Milieu

Gab es Kindesmissbrauch im NSU-Komplex? Pädophile Neonazis? Dafür gibt es weitere Indizien. Tino B., früher Anführer des Thüringer Heimatschutzes bzw. V-Mann des Verfassungsschutzes und heute einer der Hauptzeugen im Münchner Prozess, sitzt gerade eine fünfeinhalbjährige Haftstrafe wegen Kindesmissbrauchs in 66 Fällen ab.

Yavuz Narin, einer der Opferanwälte, berichtete von einem Mann, der in der Szene als Sprengstoffexperte galt. In einer Vernehmung habe er zu Protokoll gegeben, dass ihm einmal gekündigt worden sei, nachdem man an seinem Arbeitsplatz Zeichnungen von zerstückelten Kindern entdeckt hatte. Narin sagte der ARD, dass er von den jüngsten Erkenntnissen überhaupt nicht überrascht sei. Nach seinen Informationen habe ein Freund des NSU-Trios eine Hütte in der Nähe jenes Ortes besessen, an dem Peggy K. gefunden wurde.

Die Ermittlungen stünden erst am Anfang, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt in Bayreuth, Harald Potzel, am Donnerstagabend. Zunächst müsse ausgeschlossen werden, dass Böhnhardts DNA im rechtsmedizinischen Institut mit Beweismaterial aus dem Fall Peggy in Berührung gekommen sei.

Kindsmord von 1993 wird neu aufgerollt

Im benachbarten Thüringen war man da längst hellhörig geworden. Ministerpräsident Bodo Ramelow ordnete am Freitag an, einen ungeklärten Fall neu aufzurollen. Der ebenfalls neunjährige Schüler Bernd B. war am 6. Juli 1993 verschwunden. Zwölf Tage später wurde seine Leiche am Ufer der Saale gefunden, in einem Gebüsch. Ein Schulfreund Böhnhardts nannte der Polizei damals einen Schuldigen. Sein Name: Uwe Böhnhardt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2016)

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