Tote Neunjährige: DNA-Spuren führen zu Neonazi-Terrorist

Skelettteile entdeckt - Polizei prueft Verbindung zum Fall Peggy
Skelettteile entdeckt - Polizei prueft Verbindung zum Fall PeggyAPA/dpa/David Ebener
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Am Fundort des Skeletts der vor 15 Jahren verschwundenen Peggy entdeckten Ermittler DNA-Spuren des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt.

Der Kriminalfall Peggy in Deutschland könnte eine unerwartete Wendung nehmen - und zu dem Neonazi Uwe Böhnhardt führen. Deutsche Ermittler haben DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen an einem Gegenstand in der Nähe des Skeletts der getöteten Neunjährigen, Peggy Knobloch, gefunden. Das sagte Oberstaatsanwalt Harald Potzel am Donnerstagabend in Bayreuth bei einer Verlesung einer Erklärung der Ermittler. Fragen waren nicht zugelassen. Nach "Spiegel"-Informationen handelt es sich dabei um ein Stück Stoffdecke.

Der Bayerische Rundfunk berichtete unter Berufung auf Polizeikreise, dass es sich um ein Stück Stoff von der Größe eines Fingernagels handle. Die Polizei hatte mehrfach den Fundort abgesucht, weil das Skelett nach Angaben der Ermittler nicht vollständig gewesen war. Bei der Untersuchung war nach BR-Informationen am Donnerstagnachmittag nach einem Abgleich von Datenbanken durch die Rechtsmedizin ein entsprechender Treffer gemeldet worden.

Zusammenhang noch unklar

Das kleine Mädchen war am 7. Mai 2001 im nordbayerischen Lichtenberg auf dem Heimweg von der Schule verschwunden. Eine groß angelegte Fahndungsaktion der Polizei blieb ergebnislos. Am 2. Juli hatte ein Pilzsammler heuer Teile ihres Skeletts in einem Waldstück im Saale-Orla-Kreis in Thüringen gefunden - nur rund 15 Kilometer vom Heimatort des Mädchens entfernt.

Am Fundort der Leiche seien zahlreiche Spurenträger sichergestellt worden, teilten die Behörden weiter mit. Bei der Untersuchung sei DNA festgestellt worden, "die Uwe Böhnhardt zuzuordnen ist". Allerdings: "In welchem Zusammenhang diese DNA-Spur gesetzt wurde, wo sie entstanden ist und ob sie in Verbindung mit dem Tod von Peggy Knobloch steht, bedarf weiterer umfassender Ermittlungen in alle Richtungen, die derzeit geführt werden und ganz am Anfang stehen", teilten das Polizeipräsidium Oberfranken und die Staatsanwaltschaft Bayreuth mit. Die Anwältin von Peggys Mutter äußerte sich am Donnerstagabend nicht.

Kindersachen in NSU-Wohnmobil 

Der 34-jährige Rechtsextremist Böhnhardt gehörte dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) an. Zusammen mit Uwe Mundlos und Beate Zschäpe soll er laut Bundesanwaltschaft jahrelang unerkannt gemordet haben. Die Gruppe erschoss zwischen 2000 und 2007 nach Erkenntnissen der Ermittler neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer und eine Polizistin. Mundlos und Böhnhardt töteten sich im November 2011 nach einem Banküberfall in einem Wohnmobil, um einer drohenden Festnahme zu entgehen. Zschäpe stellte sich der Polizei. Seit Mai 2013 muss sie sich vor dem Münchner Oberlandesgericht verantworten.

Mehrere Mitglieder des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses reagierten entsetzt auf die Nachricht des spektakulären Funds. Sie verwiesen auch darauf, dass im ausgebrannten NSU-Wohnmobil Kindersachen gefunden worden seien, deren Herkunft bis heute unklar sei. Die Linke-Obfrau des Ausschusses, Katharina König, forderte am Donnerstag, nun müsse es einen Abgleich der DNA von Böhnhardt sowie der DNA der weiteren mutmaßlichen NSU-Terroristen Mundlos und Zschäpe mit allen ungeklärten Fällen geben, bei denen Kinder und Menschen mit Migrationshintergrund zu Tode gekommen seien. Zudem sei aus ihrer Sicht derzeit völlig offen, ob der Münchner NSU-Prozess gegen Zschäpe so weitergehen könne wie bisher.

In weitere ungeklärte Morde verwickelt?

Der Münchner Rechtsanwalt Yavuz Narin sagte der Deutschen Presse-Agentur, im Umfeld des NSU seien "mehrere Personen mit Sexualstraftaten an Kindern in Erscheinung getreten". So habe einer der mutmaßlichen NSU-Waffenbeschaffer Böhnhardt des Mordes an einem neun Jahre alten Buben in Jena bezichtigt - der Fall soll nun neu geprüft werden. In den Prozessakten fänden sich weitere Namen von Männern, die zum Freundeskreis Böhnhardts zählten und zu denen sich Hinweise auf Kindesmissbrauch in den Akten fänden. Narin verwies außerdem auf den früheren Anführer des "Thüringer Heimatschutzes", Tino Brandt, der wegen Missbrauchs von Buben im Gefängnis sitzt. Narin vertritt im NSU-Prozess die Familie eines in München ermordeten Geschäftsmannes.

Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess, forderte Zschäpe auf, sich zu den neuen Erkenntnissen im Fall Peggy zu äußern. "Ich würde mir wünschen, dass Frau Zschäpe auch in diesem Fall an der Aufklärung mitwirkt und auspackt, was sie dazu weiß", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitag). Zudem forderte Daimagüler, Einzelheiten über Kinderporno-Dateien auf einem Computer des NSU zu untersuchen. Er kündigte einen neuen Beweisantrag im NSU-Prozess an. Im Brandschutt der Fluchtwohnung des NSU-Trios in Zwickau war ein Datenträger mit Kinderpornomaterial gefunden worden. Man müsse herausfinden, "wer Kenntnis hatte und wer es draufgeladen hat - Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe oder alle drei".

(APA/dpa)

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