Österreich und Mexiko: Kleine Brüder unter sich

J�RG LEICHTFRIED
J�RG LEICHTFRIED(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Der Freihandel mit den USA will nicht recht klappen – Österreich intensiviert aber seine Bande mit Mexiko.

Mexiko-Stadt. Soll noch einer sagen, die Österreicher seien ein pessimistisches Volk. Zumindest wenn es um das Geschäft geht, ist das Glas im Zweifelsfall halb voll: Das Freihandelsabkommen mit den USA droht zu scheitern, jenes mit Kanada könnte nach langem Hin und Her klappen. Mit einem Hoffnungsmarkt jenseits des Atlantiks gibt es solche Querelen nicht: Mexiko.

Ein Freihandelsabkommen mit den Mexikanern gibt es längst, in keiner anderen Region wachsen Österreichs Exporte schneller als hier. Heuer wird die Milliardengrenze fallen. Dann hätte Mexiko Kanada als zweitstärkster Handelspartner in Amerika abgelöst. Und damit es etwas schneller geht, rührte Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) in Mexiko City die Werbetrommel für Österreichs Industrie. „Wir sind hier, um den heimischen Firmen den Sprung nach Mexiko zu erleichtern“, sagt er. „Mexiko und Österreich haben viel gemeinsam“, erklärt Wirtschaftskammer-Vize Christoph Matznetter den mexikanischen Firmen dort. „Wir beide haben einen großen Bruder, in dessen Schatten wir manchmal stehen.“ Für uns die Deutschen, für Mexiko die USA. Beide Länder haben vom Handel mit diesem großen Bruder profitiert. Seit Mexiko dem Freihandelsabkommen Nafta mit den USA und Kanada beigetreten ist, boomt die mexikanische Automobilwirtschaft. Löhne, die sich etwa bei einem Fünftel der europäischen bewegen, und weitgehende Zollfreiheit locken auch deutsche Premium-Anbieter in das Land. Mit ihnen kamen österreichische Maschinen- und Anlagenbauer.

Konzept für Infrastruktur

Etwa hundert Unternehmen aus Österreich sind bereits in Mexiko aktiv. Nun soll die zweite Welle folgen und am Aufbau der mexikanischen Infrastruktur kräftig mitverdienen. Bedarf gibt es mehr als genug: In Mexiko-Stadt, wo fast dreimal so viele Menschen wohnen wie in Österreich, sind täglich vier Millionen Autos unterwegs. Auch auf den zum Teil dreistöckigen Schnellstraßen steht man die meiste Zeit im Stau. Im Zuge des geplanten Baus eines zwölf Milliarden Euro teuren Flughafens, der noch dazu CO2-neutral sein soll, will die Stadt auch das in den Griff bekommen. Sie braucht ein Konzept, wie öffentlicher Verkehr, E-Mobilität und effiziente Abfallentsorgung funktionieren könnten. Dieses können die Österreicher liefern und umsetzen, so die Botschaft, die von Ministerium zu Ministerium getragen wird. Mobilitätsplanung vom AIT, Flughafentechnologie von Frequentis, Kraftwerke von Christoph Industries.

Offiziell wurden „nur“ einige Absichtserklärungen unterzeichnet. Doch die Chance, im Windschatten eines Ministers mit Entscheidungsträgern auf Tuchfühlung zu gehen, sei viel mehr wert, hört man von mitreisenden Unternehmen. So berichten mexikanische Medien euphorisch (und vorschnell), Österreich werde der mexikanischen Metropole eine nagelneue Müllverbrennungsanlage bauen.

Doch trotz aller Euphorie liegt ein kleiner Schatten über der Reise. Ein Schatten, den Mexikos großer Bruder im Norden wirft: „Wir beten jeden Tag, dass Donald Trump nicht US-Präsident wird“, sagt Alberto Romano, der soeben den Torre Reforma, den höchsten Büroturm in Mexiko City, bauen lässt.

Mexiko dient dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf als Sündenbock für alles. Pauschal verdächtigt er alle jenseits der Grenze des Drogenschmuggels. Und wer damit nichts zu tun hat, ist sicher nur damit beschäftigt, einem guten Amerikaner den Job wegzunehmen. Trump verspricht den Bau einer 3200 Kilometer langen Mauer an der Grenze zu Mexiko und ein Aufschnüren des Freihandelspakts. Spätestens hier werden auch Ökonomen hellhörig. Denn Mexikos stabiles Wirtschaftswachstum hängt stark von Nafta ab. 80 Prozent der Exporte gehen nach Nordamerika. Mehr als ein Drittel aller Arbeitsplätze in Mexiko hängt direkt an diesen Ausfuhren. Gewinnt Trump einmal ein TV-Duell oder holt er bei Umfragen auf, fällt der mexikanische Peso prompt. Selbst Mexikos Zentralbankchef, Agustín Carstens, warnte davor, dass der Wahlsieg des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers „wie ein Hurrikan“ über die Wirtschaft des Landes fegen würde.

„Bald kein Thema mehr“

Österreichs Unternehmen im Land sind vergleichsweise entspannt. Das mag daran liegen, dass viele – wie die Kraftwerksbauer Andritz Hydro – nicht vom Export in die USA abhängen. Dazu kommt, dass die meisten nicht glauben wollen, dass Trump gewinnen könnte. „Ich rechne damit, dass dieses Thema in einem Monat keines mehr sein wird“, sagt auch der heimische Handelsdelegierte Friedrich Steinecker. Die Amerikaner könnten es sich gar nicht leisten, die Freihandelszone ohne Weiteres wieder aufzulösen. „Sie würden all ihre Investitionen verlieren.“ Tatsächlich sind auch US-Autobauer mit Milliardensummen in ihrer Werkbank im Süden investiert. In vielen anderen Branchen ist die Verflechtung ähnlich eng. „Wir sind eine Wirtschaft geworden, so leicht geht das nicht auseinander“, weiß auch Alberto Romano. Überzeugt, dass die US-Wahlen Mexiko nicht in die Rezession stürzen werden, ist er dennoch nicht. „Die Mexikaner sind in ihrem Stolz gekränkt und denken im Moment gern negativ“, sagt Friedrich Steinecker. Wer weiß, vielleicht kann Österreich ja auch hier helfen? [ wko ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2016)

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