Kranksein in der Bundesbahn

Wie es ist, wenn eine Gewerkschaft eine Eisenbahn betreibt.

Der ÖBB-Datenskandal ist ein Betrugsskandal und ein Sittenbild der Republik. Der Bruch des Datenschutzes gilt als Verbrechen, der planmäßige Milliardenbetrug am Steuerzahler wird sogar von den Staatsanwälten als lässliche Sünde gewertet. Im ORF bestätigte der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Bahn die unfassbar hohen Krankenstände und seine Erkenntnis: „Dass Mitarbeiter in einer Art Jahresplanung ihre Urlaube abgleichen, ist verständlich; aufmerksam wurde ich, als ich feststellte, dass sie auch ihre Kuren einplanten; misstrauisch wurde ich aber, als auch die Krankenstände über das Jahr festgelegt wurden.“

So bestätigte er: Missbrauch, Sonderrechte der Bahnmitarbeiter, Krankfeiern, ein betrügerisches System des Erschleichens einer vorzeitigen Pension. Alles zulasten des Steuerzahlers. Der Rechnungshof zeigte dieses System schon vor Jahren auf. Die Polizei ermittelte erfolgreich, entlarvte die planmäßig vorgetäuschten Krankheiten, die Gefälligkeitsgutachten, die erschlichenen Frühpensionen in 4000 Fällen. Die Staatsanwälte stellten trotz erdrückender Beweislast die Verfahren ein.

Kranksein in der ÖBB hatte also drei Spielarten: Man ist wirklich krank. Man feiert krank. Man ist vorgetäuscht ein Jahr lang krank, um ohne Abzüge in die Rente gehen zu können. Da braucht man natürlich genaue Aufzeichnungen, damit man die Fälle unterscheiden kann. Der Pensionserschleicher tut dies ja im Interesse und letztlich sogar im Auftrag des Unternehmens. Der Steuerzahler zahlt so den nötigen Personalabbau. Solchen „Kranken“ darf kein Haar gekrümmt werden. Der wirklich Kranke darf auch keinen Nachteil haben – wer nämlich länger als 14 Tage im Jahr krank war, unterlag in der ÖBB einem Beförderungsstopp: Der Tachinierer sollte erkannt werden, um die Böcke von den Schafen zu trennen. Dabei spielte der Betriebsrat voll mit: Er schützte die Pensionserschleicher ebenso wie die wirklich Kranken. In diesem System wussten alle Bescheid. Schon mit den 48-jährigen Mitarbeitern wurde ein Krankenstandsplan gemacht: mit 48 krank, mit 49 in die Pension, dann beginnt das neue Leben – mit neuer Arbeit, die Frühpension kurierte auch schlagartig alle Leiden. So ist es eben, wenn eine Gewerkschaft eine Eisenbahn betreibt und ein anderer zahlt.

Wenn dann ein neuer Besen den daraus erwachsenden Milliardenbetrug am Steuerzahler bekämpfen will, so ist das löblich. Der neue Vorstand wollte das offensichtlich. Aber der Zweck heiligt auch hier die Mittel nicht. Es wäre auch ohne Bruch des Datenschutzes gegangen. ÖBB-Frühpensionen, Pensionsprivilegien von manchen Landesbediensteten, die neue Hacklerreglung: sie gefährden unser Pensionssystem, hier sind Gesetzgeber und Regierung zu raschem Handeln verpflichtet!

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2009)

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