Die Digitalisierung der Landwirtschaft

Es ist erstaunlich, wie rasch die Digitalisierung unseres Lebens voranschreitet. Sogar die als sehr traditionell erachtete Landwirtschaft wird nun voll erfasst.

Wie rasch sich Technologien durchsetzen können, ist verblüffend. Diese Woche war z. B. zu erfahren, dass bereits 73 Prozent der Österreicher ihre Rechnungen auch mit Smartphone, Tablet und Co. bezahlen. Laut einer Umfrage der Kreditkartenfirma Visa hat sich die Anzahl der Nutzer, die ihr Geld mit mobilen Geräten verwalten, binnen eines Jahres verdreifacht! Mobile Banking ist zwar bei jüngeren Menschen beliebter (65 Prozent der unter 24-Jährigen gegenüber 45 Prozent der über 55-Jährigen), doch die Technologie ist in breiten Bevölkerungsschichten fest verankert.

Die Digitalisierung erfasst alle Bereiche – auch jene, die als sehr traditionell gelten. Etwa die Landwirtschaft. Der Deutsche Bauernverband ließ mehr als 500 Landwirte von Bitkom Research befragen, inwieweit Landwirtschaft 4.0 schon Praxis sei: 53 Prozent gaben an, dass sie digitale Anwendungen nutzen, nur für 16 Prozent ist das kein Thema. Die Restlichen überlegen gerade, wie sie weiter vorgehen.

Ein wesentlicher Punkt ist die direkte Kommunikation mit Konsumenten: Die Hälfte der befragten Bauern glaubt, dass die Verbraucher in 15 Jahren per Webcam in jeden Stall schauen können, fast 90 Prozent erwarten eine durchgängige Rückverfolgbarkeit der Produkte. 80 Prozent der Landwirte stimmen der Aussage zu, dass die Agrarproduktion durch die Digitalisierung in all ihren Facetten gläsern wird. Aber auch in der Produktionstechnik passiert viel. Melkroboter oder tierindividuelle Fütterungsautomaten sind schon heute im Einsatz, künftig geht es v. a. um Präzisionslandwirtschaft: etwa um Feldroboter, die sich GPS- und sensorgesteuert automatisch dem Boden, der Witterung und den Wachstumsbedingungen anpassen, oder um Drohnen, die Schädlingsbefall frühzeitig erkennen.

Ob wir all das wirklich brauchen, ist natürlich eine gute Frage. Fans einer naturnahen Landwirtschaft sehen die Technologien kritisch und als bloßes Mittel, die Industrialisierung der Nahrungsproduktion voranzutreiben. Befürworter betonen hingegen die Chancen, dass die Bewirtschaftung künftig zielgerichteter und mit weniger Umweltschäden erfolgen kann. Hier gilt wohl ein Satz, den Karl Jaspers 1949 formuliert hat – und zwar in seiner vollen Länge: Technik sei „nur ein Mittel, an sich weder gut noch böse. Es kommt darauf an, was der Mensch daraus macht, zu was sie ihm dient, unter welche Bedingungen er sie stellt.“

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

(Print-Ausgabe, 06.11.2016)

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