Im ältesten Hotel der Stadt

Mehr als 400 Jahre Hotelgeschichte: General Manager Peter Buocz (l.) und Geschäftsführer Martin Schick im Hotel Stefanie.
Mehr als 400 Jahre Hotelgeschichte: General Manager Peter Buocz (l.) und Geschäftsführer Martin Schick im Hotel Stefanie. (c) Clemens Fabry
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Es war jüdisches Bethaus, Wohnheim russischer Soldaten – und lang davor ein Einkehrgasthof. Die Geschichte des Hotels Stefanie in der Taborstraße geht bis ins Jahr 1600 zurück.

Man wusste, dass sie lang ist, die Geschichte des Hotels. Sehr lang sogar. 1638, das war bekannt, da im Wiener Sterbebuch vermerkt, kam hier vor dem damaligen Hotel ein Bierlieferant ums Leben, als er vom Kutschbock fiel.

Dass die Geschichte des Hotels Stefanie in der Taborstraße aber noch viel weiter zurückreicht, hat dann doch alle überrascht, erzählt Martin Schick, der das Hotel, das seit 1888 im Familienbesitz steht, in vierter Generation führt. Die älteste urkundliche Erwähnung stammt aus dem 15. Jahrhundert: Laut Grundbuch – man sieht, die pedantische Wiener Bürokratie reicht weit zurück – hat um das Jahr 1430 der spätere Bürgermeister Hanns Haringseer auf jenem Grund gewohnt, auf dem heute das Hotel Stefanie steht.

Der erste „Gastgeb“ (Herbergswirt), auch das belegen Grundbucheinträge, führte im Jahr 1600 hier einen Herbergsbetrieb. Seit diesem Jahr bis heute – 416 Jahre also – gibt es am Standort durchgehend einen Hotelbetrieb, wie erst seit Kurzem bekannt ist: Damit darf sich das Hotel Stefanie nun offiziell „ältestes Hotel Wiens“ nennen.

Das ist gerade in Zeiten, da Wien nicht eben unter einem Mangel an gehobenen Hotels leidet – das Stefanie hat vier Sterne – natürlich keine schlechte Sache. Im Gegenteil, sagt Peter Buocz, General Manager des Hotels. „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal: Das älteste Hotel kann es schließlich nur einmal geben.“ Seit man damit gezielt wirbt, sagt Buocz, sei das Interesse am Hotel gestiegen, immer wieder kämen Touristen herein, um das Hotel zu fotografieren.

Ans Licht gekommen ist die überraschend lange Geschichte des Stefanie durch die Historikerin Marion Luger, die von Schick beauftragt worden war, die Geschichte des Hotelstandorts aufzuarbeiten. Herausgekommen ist nach fast einem Jahr Recherche ein Bildband voller alter Urkunden, Stadtpläne und Bilder, der nicht nur die Geschichte des Hotels nachzeichnet, sondern auch die Wiener Stadtgeschichte – besonders jene der Leopoldstadt – miterzählt.

So erfährt man, dass die heutige Taborstraße – die im Lauf der Jahrhunderte mehrere Namen trug – einst einer der wichtigsten Handelswege Wiens war. Die Brücke (heute die Schwedenbrücke), die von der Taborstraße in die Innere Stadt führte, war lange Zeit die einzige Verbindung über den (damals unregulierten) Donaukanal ins Zentrum.

Da verwundert es wenig, dass sich hier vor den Stadttoren eine Vielzahl an Beherbergungsbetrieben ansiedelte. Noch 1830 fanden sich acht Einkehrgasthöfe in direkter Nachbarschaft des späteren Hotels Stefanie, das ab 1621 Zur weißen Rose hieß. Die Geschäfte liefen gut, das Hotel wurde erweitert: 1829 umfasste es 90 Pferdestellplätze – die meisten Gäste reisten mit Kutschen an.

Ein bemerkenswertes Kapitel des Hotels Stefanie ist eng mit der jüdischen Geschichte der Leopoldstadt verbunden. Da nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs viele jüdische Flüchtlinge nach Wien kamen, wurde das Stefanie – wie andere Hotels auch – zu einem jüdischen Bethaus. Aber auch jüdische Künstler fanden im Hotel Stefanie ihre Spielstätte: Die Budapester Orpheumgesellschaft führte hier ab 1896 ihre kabarettistischen Stücke auf, zum Ensemble zählte im Laufe der Jahre auch ein gewisser Hans Moser.

Noch heute ist man jüdischen Gästen verbunden. So nächtigen seit vielen Jahren Holocaust-Überlebende hier, wenn sie im Rahmen des Jewish Welcome Service nach Wien kommen.

Als Service für jüdische Gäste bietet man nicht nur koscheres Frühstück an, im Hotel sind – wunderbar altmodisch – noch echte Zimmerschlüssel statt der modernen elektronischen Schlüsselkarten im Einsatz – Letztere dürften Juden am Sabbat nicht benutzen. Das sei aber nicht der einzige Grund dafür, dass man an den alten Schlüsseln festhalte, erzählt Schick. „Mit einer Schlüsselkarte geht man nicht mehr zur Rezeption, einen echten Schlüssel gibt man nach wie vor ab: So haben die Gäste jedenfalls Kontakt mit der Rezeption.“

Und genau darauf legt man hier auch Wert: Als privat geführtes Hotel betont man gern die familiäre Atmosphäre. Wie auch das individuelle Erscheinungsbild, unter anderem durch die Antiquitäten aus Schicks Sammlung, die er im Hotel zeigt. Darunter Uhren, Geschirr oder auch eine Waschtischgarnitur von Prinzessin Stefanie, der Ehefrau von Kronprinz Rudolf.

Nach ihr wurde das Hotel übrigens auch benannt – und zwar von Schicks Ururgroßvater Carl Witzmann, der das Hotel 1888 erworben hat und umbenennen wollte. Als Rudolf wenig später, 1889, in Mayerling Suizid beging, war auch der Name seiner Gattin eher negativ besetzt, dennoch hielt Witzmann am Hotelnamen fest.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnten hier russische Besatzungssoldaten. Pro Soldat bekam man einen Schilling pro Nacht, weshalb Stefan Schick, der Vater des heutigen Besitzers, versuchte, so viele Betten wie möglich in die Zimmer zu bekommen. Dafür holte er sich die Betten ehemaliger Wehrmachtsoldaten, in denen schließlich also die russischen Soldaten schliefen.

Anekdoten wie diese kann Schick zahlreiche erzählen. Die Geschichte des Hauses ist ihm wichtig, man darf aber, sagt er, „alt nicht mit verstaubt verwechseln und muss ständig investieren“. Denn auch wenn die lange Tradition gut zieht, „alt oder gar schäbig darf das Hotel niemals wirken“. Und 416 Jahre hin oder her: „Hätten wir kein schnelles WLAN in allen Zimmer,“, sagt Direktor Buocz. „würden die Gäste ausbleiben.“

Weitere Eindrücke finden Sie auf der Homepage des Hotels.

Fakten

1600 wird der erste „Gastgeb“ am Standort des heutigen Hotels Stefanie (Taborstr. 12) urkundlich erwähnt. Bis heute besteht durchgehend ein Hotelbetrieb auf dem Grundstück.

1888 übernimmt Carl Witzmann das Hotel Zur weißen Rose und benennt es in Hotel Stefanie um. Sein Ururenkel Martin Schick führt das Hotel seit den 1990ern in vierter Generation.

Der Bildband ist um 22 Euro an der Rezeption des Hotels erhältlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2016)

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