Atomstreit: Persisches Schach

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Die Regierung in Teheran wartete im Atomstreit mit dem Westen zuletzt mit einigen kühl kalkulierten Zügen auf, um sich alle Hintertürchen offenzuhalten.

KAIRO. Schach, die Königsdisziplin unter den Strategiespielen, stammt aus Persien. Dabei galt es, den Schah, den König, zu schlagen. Zumindest im politischen Schach hat die Regierung in Teheran ihren Vorfahren einiges abgeschaut. Diese Woche hat sie gleich mit mehreren provokanten Zügen überrascht.

Der letzte: eine Serie von Raketentests. Bis zu 2000 Kilometer Reichweite haben die iranischen Flugkörper, die derzeit in Manövern der Revolutionsgarden mit dem Namen „Woche der geheiligten Verteidigung“ getestet werden. Sie können also potenziell Israel, die US-Militärstützpunkte am Golf und selbst die Südostspitze Europas erreichen. Das zeige, dass der Iran seine „strategische und vorbeugende Fähigkeit“ gesteigert habe, „um gegen jegliche Drohung gewappnet zu sein“, erklärte die Elitetruppe. Bereits am Sonntag testete der Iran auch Kurz- und Mittelstreckenraketen.

Zuvor hat die Regierung in Teheran vergangene Woche die Existenz einer zweiten iranischen Anlage zur Urananreicherung in der Nähe der Stadt Qom bekannt gegeben. Der Zeitpunkt für diese Bekanntgabe und die Raketentests sind kein Zufall: Für Donnerstag sind in Genf Verhandlungen der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Russlands und Chinas – sowie Deutschlands mit dem Iran geplant.

Sanktionen kein Hemmschuh

Die Regierung in Teheran lässt nun ihre Muskeln spielen, um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Denn sowohl Raketentests als auch die Offenlegung einer weiteren Urananreicherungsanlage verfolgen ein doppeltes Ziel. Zum einen sollen sie beweisen, dass die bisherigen Sanktionen den Iran nicht davon abgehalten haben, sich militärisch und atomar weiterzuentwickeln. Denn genau um das Thema weiterer Sanktionen wird es in Genf gehen.

Zum anderen will Teheran zeigen, dass ein Militärschlag gegen das Land mit einem hohen Preis einhergehen würde. Eine militärische Option gegen den Iran wäre keine schnelle Lösung, meint ein iranischer Kommentator. Die Botschaft Teherans lautet: Weder ein Militärschlag noch Sanktionen, also keine der derzeit im Westen diskutierten Optionen, funktionieren.

Daneben verfolgt das Säbelrasseln noch einen weiteren Zweck. Die nach der letzten Präsidentschaftswahl angeschlagene Regierung versucht im eigenen Land wieder als Verteidiger iranischer Interessen ihre Legitimität zurückzugewinnen. Mit jeder abgeschossenen Testrakete gegen einen potenziellen äußeren Feind hofft sie, auch die grüne Oppositionsbewegung zum Schweigen zu bringen.

Die Regierung in Teheran profitiert davon, den Konflikt aufrechtzuerhalten, ohne ihn jedoch auf die Spitze zu treiben. Denn gleichzeitig öffnet sie auch schon wieder das Hintertürchen zu dessen Entschärfung: Zeitgleich mit der Bekanntgabe einer weiteren Anreicherungsanlage bietet der Iran der Internationalen Atomenergiebehörde auch ihre Inspektion an.

Hoffen auf russischen Läufer

Zumindest Washington versucht, besonnen auf die neuen persischen Schachzüge zu reagieren. Es sei immer willkommen, wenn der Iran ankündigt, sich an internationale Regeln zu halten, lautete die diplomatische Antwort der US-Außenministerin Hillary Clinton. Am Donnerstag wird nun der gemeinsame Schachzug der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Deutschlands erwartet. Man hofft auf den russischen Läufer, der nach der Offenlegung der neuen Anreicherungsanlage eine härtere Gangart gegenüber dem Iran angekündigt hat.

Doch zunächst dürfte man jetzt über den iranischen Zügen brüten, die zeigen, dass sich der Gegner noch lange nicht geschlagen gibt.

AUF EINEN BLICK

Am Donnerstag finden in Genf erneut Gespräche über das umstrittene iranische Atomprogramm statt. Gesandte des Iran und Vertreter der fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats – Chinas, Frankreichs, Russlands, der USA und Großbritanniens – sowie Deutschlands werden teilnehmen. Letzte Woche wurde bekannt, dass Teheran insgesamt zwei Urananreicherungsanlagen betreibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2009)

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