Die Wiener Börse pfeift auf Donald Trump

Börsianer hatten nicht mit dem Wahlsieg von Donald Trump gerechnet
Börsianer hatten nicht mit dem Wahlsieg von Donald Trump gerechnetREUTERS (AMMAR AWAD)
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Während an den wichtigsten europäischen Börsen Frust angesagt ist nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen, kehrt Wien zur Normalität zurück.

EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hat nach dem überraschenden Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl dazu aufgerufen, Ruhe zu bewahren. Es sei zu früh, um Schlüsse aus der Wahl zu ziehen, sagte Praet am Mittwoch in Brüssel. "Wir müssen ruhig sein, ruhiger als die Märkte", sagte der oberste Ökonom der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch in Brüssel. Die Kommunikation zur Geldpolitik werde sich jetzt nicht ändern. Nach einem ersten Schreck grenzten Europas Börsen ihre Anfangsverluste rasch ein. Der ATX in Wien drehte um 10.41 Uhr sogar ins Plus.

Angekurbelt wurde die Trendwende von der Voestalpine-Aktie, die sich um knapp zwei Prozent verteuerte. Auch Wienerberger und Lenzing hatten zu diesem Zeitpunkt Zugewinne von mehr als einem Prozent. Im  Plus notierten unter anderem die Schwergewichte OMV und Erste Group. Zu Mittag lag der ATX wieder mit 10 Punkten im Minus.

"Politische Börsen haben kurze Beine"

Die Schweizer Börse hat am Mittwoch nur kurzzeitig negativ auf die Wahl des Republikaners Donald Trump zum 45. US-Präsidenten reagiert. Im Fahrwasser der kräftig steigenden und schwergewichtigen Pharmatitel drehte der Leitindex nach oben. Bis am Mittag stieg der SMI um 1,3 Prozent auf 7850 Punkte. Händler sprachen von einer Erleichterung vor allem bei den Pharmainvestoren. Im vorbörslichen Handel wurde der SMI noch um mehr als drei Prozent tiefer indiziert.

"Das Unerwartete ist eingetreten. Hillary Clinton hat die Wahlen verloren", sagte ein Händler. "Wie heisst es so schön? Politische Börsen haben kurze Beine", sagte ein anderer. Es gebe Sachzwänge, über die sich niemand hinwegsetzen könne. "Wir dürften rasch mit der neuen Lage zurechtkommen", sagte ein anderer Börsianer. Es sei zu einer neuen Phase der Unsicherheit gekommen, die zu einer stärkeren Nachfrage nach sicheren Häfen führe, sagte ein Händler. Donald Trump gilt wegen seiner Unberechenbarkeit als Börsenschreck.

Beim stark pharmalastigen Schweizer Markt aber überwog Erleichterung, da viele Marktteilnehmer befürchtet hatten, bei einem Sieg der Demokratin Clinton könnten die Gewinnmargen der Arzneimittelhersteller unter Druck geraten. Die Genussscheine von Roche stiegen um 5,7 Prozent, Novartis legten 5,5 Prozent zu und Actelion rückten um fünf Prozent vor.

Die unter Druck gekommenen Ölpreise drehen ins Plus: Die richtungsweisende Sorte Brent 0,3 Prozent höher bei 46,19 Dollar. US-Leichtöl WTI gewinnt ebenfalls 0,3 Prozent auf 45,11 Dollar.

"Keine guten Nachricht"

Die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten sei für die Wirtschaft zwar keine gute Nachricht, vieles werde jedoch davon abhängen, was Trump verwirklichen werde, meint der stellvertretende Wifo-Leiter Marcus Scheiblecker. Für die europäischen Märkte sieht er keine Notwendigkeit, unmittelbar zu reagieren.

"Ich sehe nicht die Notwendigkeit, dass die europäischen Märkte unmittelbar reagieren müssen", sagte Scheiblecker am Mittwoch im APA-Gespräch, denn für die heimischen Aktienmärkte sei es nicht eins zu eins eine schlechte Nachricht, wenn sich die US-Konjunktur abschwäche. Nur bei einer Rezession in den USA wäre es so.

Zumindest geht der Wifo-Experte davon aus, dass es ähnlich wie nach der Brexit-Entscheidung auf den Märkten zu einer Gegenreaktion kommen wird, weil die Finanzmärkte zu Übertreibungen neigten. "Ein Einbruch dürfte sehr bald wettgemacht werden", meint Scheiblecker.

Für die zukünftige wirtschaftspolitische Ausrichtung der USA stelle der unerwartete Wahlsieg von Trump schon eine massive Verunsicherung dar. "Für die Konjunktur sind das sicherlich schlechte Nachrichten. Die USA ist im ersten Halbjahr ohnedies schwächer gewachsen als Europa", so Scheiblecker. Es sei jetzt noch sehr unklar, was an neue Regelungen kommen werde. Deshalb sei etwa die Investitionsbereitschaft in den USA derzeit auf "Abwarten".

Wenn sich die Investitionen in den USA weiter abschwächen, könnten auch Europa und Österreich von diesen "konjunkturellen Schleifspuren" etwas abbekommen. Der Konsum dürfte in den USA dagegen stabil bleiben. "Spätestens im ersten Quartal 2017 werden wir erste Auswirkungen sehen", so Scheiblecker.

Sollte Trump dabei bleiben, dass ihn Freihandelsabkommen sehr stören, dann wäre das derzeit verhandelte EU-USA-Handelsabkommen TTIP "wohl tot", sagt Scheiblecker. Und die angekündigte Rücknahme von "Obamacare" würde in den USA wieder zu Problemen bei der Einkommensverteilung führen. Dem angekündigten Bau einer Mauer zu Mexiko könne man weniger glauben, dieser hätte aber auch keine wirtschaftlichen Auswirkungen.

Blieben noch die Steuersenkungspläne von Trump: "Da wird man sehen, was seine Berater sagen werden. Die USA haben schon ein sehr hohes Budgetdefizit und einen riesigen Schuldenstand. Da wird sich nicht viel an Steuersenkungen ausgehen", meint Scheiblecker.

Für die im Dezember erwartete US-Zinserhöhung sieht es laut Scheiblecker jetzt unverändert "erfolgreich" aus. Zwar dürfte es sich mit den Konjunkturindikatoren nicht ausgehen, sie dürfte aber trotzdem kommen, weil die US-Notenbank Fed sonst ihre Glaubwürdigkeit verlieren würde, "wenn sie das nicht durchzieht". "Die Wahrscheinlichkeit ist gesunken, aber sie wird trotzdem kommen", ist Scheiblecker überzeugt.

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