„Haltet den Dieb!“ in der Steueroase

Steuervermeidung durch Konzerne ist ein Ergebnis von Politikversagen.

Apple hat 2014 laut EU-Kommission auf seine europäischen Gewinne ganze 0,005 Prozent Steuer gezahlt. Das wären 50 Euro pro verdienter Million. Solche Steuersätze hätte jeder gern, aber ein adäquater Beitrag ist das nicht. Ihn liefern auch andere internationale Konzerne nicht ab.

Kein Wunder, dass die EU nun entschlossener gegen Steuerkonstruktionen, die solche Steuerflucht ermöglichen, vorgehen will.

Nur: Auf die bösen Konzerne hinzuhauen, wie das so gern gemacht wird, sieht hier ein bisschen nach „Haltet den Dieb!“ aus: Die Steuervermeider in den Konzernfinanzabteilungen machen in aller Regel ja nichts Illegales, sondern nutzen nur die Schlupflöcher, die ihnen die Staaten selbst bereitwillig offenhalten. Gut, bei Apple waren angeblich auch rechtswidrige Absprachen im Spiel. Freilich, Bingo, mit der Regierung der Republik Irland.

Wir sehen: Die Konzernsteuermalaise der EU ist selbst verschuldet und ein rein politisches Problem. Die EU duldet Steueroasen auf ihrem Territorium, sie duldet international verzweigte Briefkastenkonstruktionen, die ausschließlich zwecks Steuervermeidung aufgebaut werden, sie duldet ganz offensichtlich Privatabsprachen einzelner Mitgliedstaaten mit Konzernen zulasten der anderen.

Und sie hat noch nicht einmal EU-weite Regeln für einheitliche Berechnungen des steuerbaren Gewinns aufgestellt. Von einer EU-weiten Gewinnkonsolidierung gar nicht zu reden.


Wenn es also ein größeres Konzernsteuerfluchtproblem gibt, dann basiert das wohl auf europäischem Politikversagen. Und auf der sattsam bekannten EU-Fehlkonstruktion einer fehlenden zentralen Fiskalpolitik. Es ist nett, dass sich der Finanzministerrat neuerdings intensiver mit dem Kampf gegen – wie gesagt: meist legale – Steuervermeidungsstrategien befasst. Aber solang steueroasenbetreibende EU-Mitglieder jeden ernsten Fortschritt per Veto blockieren können, wird das nichts. Ein EU-Finanzminister mag derzeit nicht übertrieben populär sein. Aber ohne einen solchen werden Konzerne halt weiterhin leichtes Spiel haben, EU-Staaten gegeneinander auszuspielen.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)

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