"Vernunft" und "Niederlage": CDU akzeptiert Steinmeier

Angela Merkel akzeptiert Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident mangels CDU-Alternativen.
Angela Merkel akzeptiert Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident mangels CDU-Alternativen.(c) REUTERS (AXEL SCHMIDT)
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Die Koalition in Berlin hat sich auf Außenminister Steinmeier als Nachfolger für Bundespräsident Gauck geeinigt - für die CDU ein taktischer Notfallplan.

Nach wochenlangem Streit in Berlin über eine Nachfolge für den deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck, konnte sich die Koalition offenbar auf einen Kandidaten verständigen: Das CDU-Präsidium hat sich Insidern zufolge am Montagmorgen darauf geeinigt, Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident mitzuwählen. Dies sei in einer Telefonschaltung besprochen worden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Auch die CSU will der Entscheidung nach einem vertraulichen Treffen von CSU-Chef Horst Seehofer und Steinmeier nicht im Weg stehen. Am vergangenen Samstag sei der SPD-Politiker abends bei Seehofer zu Gast in der bayerischen Landeshauptstadt gewesen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus CSU-Kreisen. 

"Entscheidung aus Vernunft"

"Es ist eine Entscheidung aus Vernunft", nannte Kanzlerin Merkel die Festlegung auf den SPD-Minister am Montag in der Telefonkonferenz mit dem CDU-Präsidium. Die CDU und CSU hatten entschieden, den Personal-Vorschlag von SPD-Chef Sigmar Gabriel mitzutragen, obwohl die Union die größte Gruppe in der Bundesversammlung stellt. Für die CSU hatte es vor allem oberste Priorität, die Unterstützung eines Grünen-Kandidaten zu verhindern.

Gabriel würdigte die geplante Nominierung Steinmeiers als wichtiges Signal in schwieriger Zeit. Steinmeier habe sich "hohes Ansehen (...) erworben, schon seit vielen Jahren", und er genieße das Vertrauen der Bürger, sagte der Vizekanzler am Montag in Berlin. "Dieses Vertrauen brauchen wir in der heutigen Zeit besonders" angesichts zahlreicher Umbrüche. Der Bundespräsident trage hohe Verantwortung für liberale und soziale Grundwerte - Steinmeier sei daher der richtige Mann.

Die drei Parteichefs, Merkel, Seehofer und Gabriel würden am Mittwoch um 12 Uhr gemeinsam mit Steinmeier vor die Öffentlichkeit treten, gab Gabriel am Montag in Berlin bekannt.

CDU beißt in sauren Apfel

Finanzminister Wolfgang Schäuble bewertete die Entscheidung auch als "Niederlage" für die CDU/CSU, wie die "Rheinische Post" (Dienstag) berichtet. Präsidiumsmitglied Jens Spahn kritisierte demnach, mit der Einigung sende die Partei das Signal aus, bei der 2017 bevorstehenden Parlamentswahl erneut eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD anzustreben. Die Menschen erwarteten mehr Differenzierung der Parteien, soll Spahn gesagt haben.

Der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten sagte der Zeitung, dass Steinmeier zunächst einmal sein Verhältnis zu Donald Trump definieren müsse. "Ein Bundespräsident, welcher den Präsidenten und Oberbefehlshaber unseres wichtigsten Partners und Verbündeten als 'Hassprediger' bezeichnet und nicht bereit ist, diesem zur Wahl zu gratulieren, ist für mich schwer vorstellbar", sagte von Stetten.

Kritik kam auch vom unionsnahen Studentenverband RCDS. "Die zeitliche Abfolge der Ereignisse ist sehr unglücklich für die Kanzlerin und die Union", sagte der RCDS-Bundesvorsitzende Jenovan Krishnan der Nachrichtenagentur AFP. "Es sieht aus wie eine herbe Niederlage für die CDU/CSU gegenüber der SPD."

Krishnan nannte die Entscheidung der Union für Steinmeier nun einen "Kompromiss, der die Union nicht in Jubelströme versetzt, aber akzeptiert wird". Sich hinter die Kandidatur des SPD-Außenministers zu stellen, sei "besser als eine Schlappe im Februar kurz vor den wichtigen Landtagswahlen und der Bundestagswahl".

Deutsche laut Umfrage für Steinmeier

Die Linkspartei will die Entscheidung indes nicht unterstützen, sondern einen eigenen Kandidaten aufstellen. "Es zeigt sich, dass Steinmeier kein Angebot an die Linke, sondern an Schwarz-Rot ist", sagte Linken-Chefin Katja Kipping dem Berliner "Tagesspiegel". 

Die deutsche Bevölkerung dürfte jedenfalls zufrieden sein: Nach einer repräsentativen Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" glauben 62 Prozent der Deutschen, dass Steinmeier ein guter Bundespräsident wäre. Lediglich 24 Prozent finden das nicht.

In Deutschland wird der Bundespräsident nicht direkt, sondern durch die Bundesversammlung gewählt. Dem Gremium gehören alle Mitglieder des Parlaments an. Die Wahl soll am 12. Februar stattfinden. Gauck war im Februar 2012 zum Staatsoberhaupt gewählt worden. Der 76-Jährige will aus Altersgründen nicht wieder kandidieren. Gauck war gemeinsamer Kandidat von Union, FDP, SPD und Grünen und hatte im ersten Wahlgang eine überragende Mehrheit erhalten. 

Feste Größe in deutscher Politik

In der deutschen Politik ist Frank-Walter Steinmeier (60) seit bald 20 Jahren eine feste Größe. Die erste Zeit machte der Jurist an der Seite von Gerhard Schröder Karriere - zunächst in der Staatskanzlei in Hannover, als Schröder dort Ministerpräsident war. Nach dem SPD-Erfolg bei der Bundestagswahl 1998 wechselte er mit ins Kanzleramt, anfangs als Staatssekretär, dann als Chef der Behörde.

2005 rückte er dann in die allererste Reihe auf: Steinmeier wurde Außenminister in Angela Merkels erster großer Koalition, später auch Vizekanzler. Die SPD machte ihn dann auch zu ihrem Kanzlerkandidaten. Die Wahl im Herbst 2009 verlor er mit nur 23 Prozent aber klar. Steinmeier ließ sich zum Fraktionsvorsitzenden wählen, was er auch vier Jahre blieb.

Im Dezember 2013 kehrte er an die Spitze des Auswärtigen Amts zurück. Mit etwa 2500 Amtstagen ist er inzwischen der bundesdeutsche Außenminister mit der drittlängsten Dienstzeit. Nur Hans-Dietrich Genscher und Joschka Fischer waren noch länger im Amt.

Geboren wurde Steinmeier am 5. Jänner 1956 in Detmold (Nordrhein-Westfalen). Der Tischlersohn studierte nach der Bundeswehr Jus und Politik in Gießen. Seine Doktorarbeit trägt den Titel "Bürger ohne Obdach". Steinmeier ist mit der Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender, verheiratet. Das Paar hat eine erwachsene Tochter, die studiert.

(APA/Reuters/red.)

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