Keine Handhabe gegen Koranverteiler

Auch in Österreich gab es Koran-Verteilaktionen.
Auch in Österreich gab es Koran-Verteilaktionen.APA/AFP/dpa/BORIS ROESSLER
  • Drucken

Der heimische Ableger des in Deutschland verbotenen Netzwerks "Die wahre Religion" hat sich in den Untergrund verzogen. Rechtlich konnte man ihm bisher nichts anhaben.

Wien. „Aufmerksam beobachtet“ wird der österreichische Ableger des deutschen Netzwerks "Die wahre Religion" vom Verfassungsschutz. Das sagt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Ein Verbot der Gruppierung, so wie nun in Deutschland, steht hierzulande aber nicht zur Debatte. Was auch daran liegt, dass sie in Österreich zuletzt stark an Relevanz eingebüßt hat – dank innerer Streitigkeiten. „Sie haben nicht mehr die Bedeutung von früher“, sagt Politikwissenschaftler und Islamismus-Experte Thomas Schmidinger. Mitverantwortlich dafür seien polizeiliche Maßnahmen der vergangenen Jahre, etwa die Verhaftung prominenter Prediger und Schließung von Moscheen.

„Ein Resultat der Repression der letzten zwei Jahre ist, dass die Leute mehr in informellen Gruppen organisiert sind“, sagt Schmidinger. Und damit im Untergrund – eine Kehrseite der Polizeiarbeit, wie er meint. Mit einer Razzia wie nun in Deutschland rechnet Schmidinger in Österreich nicht. „Aber es wird sicher zu weiteren Verhaftungen von Leuten kommen, die nach Syrien gehen wollen.“ Das ist letztlich der Punkt, an dem die Behörden tatsächlich zuschlagen können. Denn das, wofür die Gruppe bekannt wurde, ist nicht verboten – nämlich das Verteilen von Koranen.

Verbieten nicht möglich

In Wien begannen die Koranverteilungen 2012 – besonders häufig auf der Mariahilfer Straße. Für den Neubauer Bezirksvorsteher, Thomas Blimlinger (Grüne), ein Problem, denn er hatte keine rechtliche Handhabe. „Die Genehmigungen erteilt die MA46 – auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung.“ Und die kann eine Ablehnung nur damit begründen, dass der Verkehr gestört wird. „Die Bezirksvorstehung und die örtliche Polizei sind eingeladen – und ich habe vorgeschlagen, dass auch der Verfassungsschutz dabei sein soll.“

Allein, ein Problem sei schon gewesen, dass als Anmelder nie die Gruppierung selbst aufgetreten sei, sondern immer eine Privatperson, die laut Antrag „Information über den Islam“ verbreiten wollte. Im Herbst 2015 beschlossen die Organisatoren der Verteilung, eine Zeit lang auszusetzen – unter anderem, weil die Islamische Glaubensgemeinschaft darum gebeten hat. Und heuer gab es laut Blimlinger auf der Mariahilfer Straße nur zwei Ansuchen.

Zuletzt war in einigen Medien zu lesen, dass der Bezirk Döbling Koranverteilungen verboten habe – im Juli hatte es auf dem Sonnbergmarkt eine Verteilaktion gegeben. Das stimme aber so nicht, sagt Bezirkschef Adi Tiller (ÖVP): „Die Stadt hat gesagt, es gibt keine rechtliche Grundlage. Aber wenn wieder so etwas vorkommt, sollen wir die Polizei anrufen, weil es einen Auflauf der Bevölkerung gibt.“ Ob das funktioniert, konnte noch nicht getestet werden. Es gab seither keine Anmeldung mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.