EU will lückenlose Einreisekontrolle

(c) APA/AFP/BULENT KILIC
  • Drucken

Die EU-Kommission schlägt ein Informationssystem nach US-Vorbild vor. Ab 2020 soll jeder Besucher vor dem Grenzübertritt um eine Einreisegenehmigung ansuchen - und dafür fünf Euro zahlen.

Brüssel. Die Kontrollen bei der Einreise in die EU werden engmaschiger. Am gestrigen Mittwoch präsentierte die EU-Kommission ihre detaillierten Pläne zur Schaffung eines automatisierten Onlineregistriersystems für Drittstaatsangehörige, die für Reisen nach Europa kein Visum benötigen – es geht um gut 30 Millionen Besucher pro Jahr. Bis dato konnten diese Personen (beispielsweise Touristen aus den USA) die Außengrenze der Schengenzone überschreiten, ohne durch irgendwelche Formalitäten behelligt zu werden – ihr einziger Kontakt mit europäischen Behörden war der Grenzbeamte im Ankunftsstaat, doch der Vermerk der Einreise blieb in der Datenbank des EU-Mitglieds. Angesichts von Terrorgefahr und Migrationswellen ist diese nationale Eigenbrötlerei nach Ansicht der Brüsseler Behörde nicht mehr zeitgemäß. „Indem wir Risikopersonen ermitteln und sie an der Einreise hindern, werden wir die innere Sicherheit Europas verbessern“, sagte der für die Agenda zuständige britische Kommissar, Julian King, bei der Präsentation.


Fragebogen für jeden Ankommenden. Das Europäische Reiseinformations- und Genehmigungssystem Etias (European Travel Information And Authorisation System) ist keine hundertprozentige Neuschöpfung, sondern einer Erweiterung des geplanten Entry-Exit-Systems (EES): Ab 2020 sollen alle Ein- und Ausreisende an den Schengen-Außengrenzen elektronisch erfasst und gespeichert werden, um ein Echtzeitbild aller Reisen von und nach Europa zu generieren – und potenzielle Missetäter ausfindig zu machen. Anders als EES, das erst bei der Grenzkontrolle zum Zug kommt, setzt Etias bereits bei den Reisevorbereitungen an: Sobald das System einsatzbereit ist (was nach Kommissionsplänen ebenfalls im Jahr 2020 der Fall sein soll, sofern Rat und Europaparlament zustimmen), müssen alle von der Visumpflicht befreiten EU-Ausländer vor ihrer Reise nach Europa einen Onlinefragebogen ausfüllen und um eine Einreisebewilligung ansuchen. Nach Kommissionsangaben soll die Anmeldeprozedur nicht mehr als zehn Minuten in Anspruch nehmen. Sobald eine Bearbeitungsgebühr von fünf Euro entrichtet und die Einreise genehmigt ist, gilt dieser Etias-Freifahrtschein für fünf Jahre.


• Fünf Prozent werden aufgehalten. Doch wie läuft dieser Genehmigungsprozess ab? Sobald der Reisende das Onlineformular ausgefüllt hat, werden die Daten vom Etias-Computer mit Datenbanken mehrerer Institutionen gegengecheckt (darunter Europol, Schengen-Informationssystem SIS, Fingerabdrucksdatenbank Eurodac sowie das EU-Strafregister Ecris) und für maximal fünf Jahre gespeichert. Nach Schätzungen der Kommission wird das Etias-System in 95 Prozent der Fälle automatisch grünes Licht geben und die Reisenden umgehend benachrichtigen. Die Brüsseler Behörde geht von fünf Prozent Verdachtsfällen aus, die von Beamten persönlich geprüft werden müssen – in drei bis vier Prozent der Fälle wird die Reisebewilligung anschließend erteilt, einem bis zwei Prozent der Antragsteller dürfte demnach die Einreise in die Schengen-Zone verweigert werden. Die Kommission veranschlagt die Baukosten von Etias mit 212 Mio. Euro, der Betrieb soll 85 Mio. Euro pro Jahr kosten – und durch die Einnahmen aus den Bearbeitungsgebühren gedeckt sein.

• Auch britische Staatsbürger betroffen. Besonders unangenehm dürfte diese Entwicklung für die Briten sein, die 2020 aller Voraussicht nach nicht mehr Bürger der EU sein werden – und sich für Reisen über den Ärmelkanal anmelden müssten. Eine ähnliche Erfahrung werden türkische Staatsbürger machen, die sich für die Zukunft eine visumfreie Einreise erhoffen. Auch sie müssten weiterhin Formulare ausfüllen und Spesen zahlen. In Brüssel verweist man auf die Tatsache, dass Etias das US-Reiseinformationssystem Esta als Vorbild hat – aber deutlich billiger sei: Für Reisen in die USA fällt nämlich eine Gebühr von 14Dollar an, und der US-Persilschein gilt nur für zwei Jahre.

DER PLAN

30 Millionen Drittstaatsangehörige reisen jährlich visumfrei in die EU ein. Um deren Einreise besser kontrollieren zu können, werden sie sich künftig online registrieren und eine Gebühr zahlen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.