Lufthansa-Streik prolongiert Experten raten zu Schlichtung

GERMANY-AVIATION-LABOUR-LUFTHANSA-STRIKE
GERMANY-AVIATION-LABOUR-LUFTHANSA-STRIKEAPA/AFP/CHRISTOF STACHE
  • Drucken

Die Kunden sind verärgert, die Aktionäre werden zunehmend nervös.

Frankfurt/Wien. Was die mehr als 300.000 Passagiere, deren Reisepläne durchkreuzt worden sind, vom Streik der Lufthansa-Piloten denken, ist nicht schwer zu erraten. Aber auch die Aktionäre – meist auch treue Kunden der größten deutschen Fluglinie – verlieren die Geduld: Am Freitag gaben die Papiere zwischenzeitlich mehr als ein Prozent nach und waren damit einer der größten Verlierer im deutschen DAX.

Vorerst lässt das Börsianer noch nicht extrem nervös werden, haben die Aktien der AUA-Mutter doch seit Anfang Oktober, als Konzernchef Carsten Spohr den Gewinnausblick überraschend nach oben geschraubt hat, in der Spitze um 40 Prozent an Wert gewonnen. Sollte der Arbeitskampf aber lang weitergehen, würde das den Kursverlauf empfindlich negativ beeinflussen, sagen Händler.

Die Zeichen stehen jedenfalls auf Sturm: Der Streik wurde bis heute, Samstag, verlängert. Vorerst. An den bisherigen drei Streiktagen fielen 2618 Flüge aus, 315.000 Passagiere waren betroffen.

Es ist die 14. Streikrunde in dem Tarifkampf, der seit 2014 schwelt. Und die bisher wenigstens manchmal vernommenen versöhnlichen Töne sind ganz verklungen: „Die Lufthansa kann nicht überleben, wenn sie den Forderungen der Gewerkschaft zustimmt“, stellte Spohr der Vereinigung Cockpit die Rute ins Fenster. Die konterte wenig überraschend ebenso hart: „Es gibt kaum Spielraum für eine gütliche Lösung, wenn der Lufthansa-Chef behauptet, dass der Konzern pleitegeht, wenn die 5400 Piloten die geforderten Lohnerhöhungen erhalten“, sagte der Vorstand der Pilotenvereinigung, Jörg Handwerg, am Freitag.

Damit scheint die Gesprächsbasis endgültig verloren gegangen zu sein. Zumal Handwerg noch ein Schäuferl nachgelegt hat: „Es gibt kein festgelegtes Enddatum für den Streik.“ Noch dazu hat die Vereinigung Cockpit für kommenden Mittwoch eine Demonstration auf dem Frankfurter Flughafen angemeldet. Es könnte also sein, dass bis Mittwoch gestreikt wird.

Zehn Mio. Euro pro Tag

Chaos ohne Ende also – und abgesehen von den Kosten, die Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister mit rund zehn Mio. Euro pro Tag bezifferte, ein enormer Imageschaden für die Kranichlinie, die bisher als Garant deutscher Präzision galt. Hohmeister hat nämlich bereits eingeräumt, bei den mittelfristigen Buchungszahlen sei die Zurückhaltung der Fluggäste zu spüren.

Die Piloten verlangen eine Lohnerhöhung von 3,7 Prozent jährlich – rückwirkend ab 2012. Im Klartext ist das allein bis April 2017 ein Plus von 22 Prozent. Die Lufthansa bietet im Gegenzug 2,5 Prozent – bis Ende 2018.

Dazwischen liegen tatsächlich Welten – und viele Millionen. Schließlich liegt das Durchschnittsgehalt eines Lufthansa-Piloten bei 120.000 Euro in Jahr, in der Spitze werden Kapitänen bis zu 240.000 Euro überwiesen.

Aber es geht nicht nur ums Geld. Hagen Lesch, Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), ist der Ansicht, dass der Konflikt vom neuen Eurowings-Billigkonzept angeheizt wird. Die Tochtergesellschaft, mit der die Lufthansa billigen Rivalen wie Ryanair und EasyJet Paroli bieten will, ist den Piloten der Kernmarke naturgemäß ein Dorn im Auge. Sie fürchten, à la longue Gehaltsvorteile und arbeitsrechtliche Privilegien zu verlieren.

Lesch nimmt beide Seiten in die Pflicht: Solange jeder glaubt, den anderen vernichtend schlagen zu können, könne es keine Konfliktlösung geben. Gegenseitige Klagsdrohungen seien kontraproduktiv. Zum einen könne ein Management nicht dauerhaft gegen die Belegschaft operieren, zum anderen könne Cockpit nicht eine Unternehmensstrategie einfach ablehnen.

Der Experte plädiert einmal mehr für eine Schlichtung. Dabei sollte man sich vom Ziel eines tariflichen Gesamtpakets (inklusive Fragen zu Betriebs- und Übergangsrenten) verabschieden. Vielmehr gehe es darum, wenigstens eine erste Etappe zu schaffen. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Archivbild
Unternehmen

Lufthansa-Piloten streiken am Dienstag und Mittwoch erneut

Die Lufthansa will am Montag nach Plan fliegen, danach wird laut Pilotenvereinigung Cockpit aber wieder gestreikt. Tarifgespräche seien gescheitert, hieß es am Abend.
Piloten lehnen Angebot der Lufthansa ab
Unternehmen

Piloten lehnen Angebot der Lufthansa ab

Mit Rücksicht auf die Kunden werde es aber am Sonntag keinen Streik geben, kündigt die Gewerkschaft an.
Fortsetzung Pilotenstreik bei der Lufthansa
Unternehmen

Für Gewerkschaft gibt es im Lufthansa-Streik kein Enddatum

Der Streik könnte auch über das Wochenende hinaus andauern. Man wolle von der Lufthansa ein verhandlungsfähiges Angebot erhalten, erklärt die
GERMANY-AVIATION-LABOUR-LUFTHANSA-STRIKE
Österreich

Lufthansa-Streik: Alle Wien-Flüge fallen aus

Der Streik bei der AUA-Konzernmutter Lufthansa wird bis Samstag ausgeweitet. Heute fallen am Wiener Flughafen alle 22 Lufthansa-Flüge aus.
Muenchen das Kranich Logo des Lufthansa an einem Schalter am Flughafen Franz Josef Strauss Muenchen
Unternehmen

Pilotenstreik drückt auf Flugbuchungen bei Lufthansa

Die ersten beiden Streiktage bescherten der deutschen AUA-Mutter einen direkten Schaden von rund 20 Millionen Euro.Auch am Freitag wird weitergestreikt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.