Wifo-Chef Badelt: "Desaströser Steuerwettbewerb"

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Der neue Wifo-Chef spricht sich gegen niedrigere Steuern für Unternehmen in Europa aus. Zu geringe Abgaben seien Grund für "Zorn auf die Konzerne".

Wien. Erstmals seit Jahren dreht sich die Steuerspirale für Unternehmen in Europa wieder langsam nach unten. Großbritannien will die Unternehmenssteuern auf 17 Prozent senken, um die Folgen des Ausstiegs aus der EU zu minimieren und möglichst viele Unternehmen im Land zu halten. Aber auch Staaten, die noch länger EU-Mitglieder bleiben wollen, denken laut darüber nach, den Firmen etwas weniger abzuverlangen, um im Standortrennen ein paar Meter gutzumachen. Luxemburg senkt den Steuersatz 2017 auf 19 Prozent. Dem Premier Ungarns, Viktor Orbán, schwebt gar eine Ministeuer von nur neun Prozent vor. Und auch in Österreich gibt es Pläne, die Körperschaftsteuer (KÖSt) von derzeit 25 auf 20 Prozent zu senken. Erst vor wenigen Wochen präsentierte das ÖVP-geführte Finanzministerium einen entsprechenden Vorschlag – „Die Presse“ berichtete. Die Senkung würde rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr kosten und wäre ein „attraktives Standortsignal“, hieß es.

Christoph Badelt, der neue Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), ist davon wenig angetan: „Ich halte gar nichts von diesem Steuerwettbewerb“, sagte der Ökonom am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Das einzelne Land habe zwar kurzfristig Vorteile durch höhere Betriebsansiedlungen, „insgesamt aber ist das desaströs. Wir machen hier eine neue Front in Europa auf.“

250 Milliarden in Steuerschlupflöchern

Denn letztlich würden die Unternehmen zumeist nicht neu gergründet, sondern wanderten nur von einem EU-Land in das nächste ab. Die einzigen Nutznießer seien damit die Großkonzerne selbst, die inzwischen in vielen Staaten fast gar keine Steuern mehr bezahlen. Genau darin ortet Badelt den Hauptgrund für den „Zorn gegen die Konzerne“ in der Bevölkerung. Es gehe nicht um Freihandel, Ceta oder TTIP, sondern vielmehr darum, dass Unternehmen auch einen fairen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Glaubt man der OECD, ist das zumindest in Europa nicht mehr der Fall. Internationale Konzerne schleusen demnach jährlich rund 250Milliarden Euro durch diverse Steuerschlupflöcher auf dem Kontinent an der Finanz vorbei.

Ganz oben auf der Liste der üblichen Verdächtigen findet sich seit Jahren Irland. Das Land hat mit 12,5Prozent Körperschaftsteuer nicht nur den niedrigsten Steuersatz für Unternehmen in der EU, es gewährt internationalen Unternehmen noch viele weitere Steuererleichterungen. Mit Erfolg: Die meisten Techriesen wie Google oder Apple lenken ihr Europageschäft von der Grünen Insel aus. Erst Ende August erklärte die EU-Kommission die von Irland gewährten Steuervergünstigungen für Apple für unzulässig und forderte eine Nachzahlung von 13 Milliarden Euro von dem Konzern. Sowohl das US-Unternehmen als auch Irland wollen juristisch gegen die Entscheidung vorgehen.

Steuerunion nicht durchsetzbar

Das Gegenteil eines Steuerwettbewerbs innerhalb der EU, eine Steuerunion, sei zwar wünschenswert, aber derzeit politisch nicht durchsetzbar, erklärt Wifo-Chef Christoph Badelt. Dennoch sollen die EU-Mitglieder darüber nachdenken, wie sie ihre Partnerschaft auch in diesem Bereich stärken könnten, statt sich gegenseitig Unternehmen abspenstig zu machen.

Österreich liegt im EU-Schnitt

Österreich selbst hat mit seiner letzten Senkung der Körperschaftsteuer in jedem Fall gute Erfahrungen gemacht. Im Jahr 2005 reduzierte der Fiskus den Steuersatz von damals 34 auf 25 Prozent – und heizte damit den Steuerwettbewerb in Europa an. Viele deutsche Firmen strömten ins Land, sodass auch Berlin die Einkommensteuer für Kapitalgesellschaften nur wenig später verringert hat. Heute liegt der deutsche Steuersatz bei 15Prozent (zählt man die Gewerbesteuer dazu, kommen deutsche Unternehmen auf 30 Prozent Belastung). Anders als vor der letzten Köst-Senkung liegt Österreich heute mit seinem Steuersatz im OECD-Schnitt von 25 Prozent. Trotzdem ist der Druck auf die Regierung, den Steuersatz nach unten anzupassen, groß: Fast alle Nachbarländer haben mittlerweile niedrigere Unternehmenssteuern. Es sei den Unternehmen in Österreich nicht zu verdenken, wenn sie ab und zu über die Grenzen schielten, so Badelt. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2016)

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