Fall wie Hypo rechtfertigt Preisgabe der Identität

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Ein Treasury-Mitarbeiter, der an verhängnisvollen Spekulationsgeschäften beteiligt gewesen war, kämpfte gegen die Nennung seines Namens in einem Magazin. Anders als der OGH billigt Straßburg diese.

Wien. Der Oberste Gerichtshof räumt dem Schutz der Privatsphäre gegenüber der Medienfreiheit zu großes Gewicht ein. Das geht aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) hervor, mit der Österreich wegen eines Verstoßes gegen die Meinungsfreiheit verurteilt worden ist.

3000 Euro Entschädigung

Anlass für die Entscheidung war ein Streit eines ehemaligen Mitarbeiters der Kärntner Problembank Hypo Alpe Adria gegen das Nachrichtenmagazin „Profil“. Der Mann, einst Leiter der Treasury der Bank und mit der Durchführung verhängnisvoller Spekulationsgeschäfte betraut, hatte sich gerichtlich gegen die Nennung seines Namens zur Wehr gesetzt und vor dem Obersten Gerichtshof recht bekommen. „Profil“ musste ihm deshalb eine Entschädigung von 3000 Euro leisten. Doch jetzt muss der Staat der Verlagsgruppe News als „Profil“-Eigentümer rund 10.000 Euro zahlen: Die Öffentlichkeit habe ein Recht gehabt, über die Verluste der Hypo und über die Personen informiert zu werden, die damit befasst waren, so der EGMR.

Die Vorgeschichte: Anfang 2006 informierte der Vorstand der Hypo die Finanzmarktaufsicht (FMA) über massive finanzielle Schwierigkeiten der Bank. Sie hatte im Jahr 2004 einen Verlust in Höhe von Hunderten Millionen Euro eingefahren, deretwegen die Bilanz hatte neu erstellt werden müssen. Neben anderen Medien berichtet auch „Profil“ über das sich abzeichnende Desaster. In einem ausführlichen Bericht kam nur wenige Tage, nachdem die FMA Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt erstattet hatte, auch der damalige Vorstandschef zu Wort. Er warf dem Treasurer vor, im Alleingang und unter Missachtung interner Vorgaben riskante Swap-Geschäfte eingegangen zu sein.

Verfahren wurde eingestellt

Der namentlich genannte Mitarbeiter, gegen den ein (später eingestelltes) Strafverfahren geführt wurde, verlangte eine Entschädigung. Eine solche ist im Mediengesetz vorgesehen, wenn in der Kriminalberichterstattung – zusammengefasst – das Interesse eines Verdächtigen oder Verurteilten an der Wahrung seiner Anonymität das legitime Interesse der Öffentlichkeit an deren Kenntnis überwiegt. Während das Landesgericht für Strafsachen Wien dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit noch den Vorrang gab, sprach das Oberlandesgericht dem Betroffenen 3000 Euro Entschädigung zu. Dagegen wehrte sich wiederum das „Profil“ unter Berufung auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. Der Oberste Gerichtshof sah jedoch keinen Grund, das Strafverfahren neu aufrollen zu lassen: Über den Fall hätte auch berichtet werden können, indem man den Namen des Treasurers weggelassen hätte, meinten die österreichischen Höchstrichter.

Debatte öffentlichen Interesses

Der EGMR, auf den sie sich berufen haben, beantwortet die Abwägungsfrage aber doch anders. Er betont in seinem Urteil, dass bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse der Spielraum des Staates nur sehr gering sei, die Medienfreiheit zu beschränken. Dass die Berichterstattung über die Millionenverluste (die nur ein Teil des Skandals waren, der in weiterer Folge Kärnten an den Rand des Ruins geführt hat und heute den Steuerzahler Milliarden kostet) einen „Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse“ geleistet haben, steht für den Straßburger Gerichtshof außer Zweifel.

Anders als der OGH sieht er aber keinen Grund, den Namen des handelnden Hypo-Mitarbeiters nicht zu nennen. Er stößt sich weder daran, dass der Mann (zuvor) nicht im öffentlichen Leben gestanden sei („Public figure“), noch daran, dass die Ermittlungen gegen ihn erst in einem sehr frühen Stadium waren. Denn die im Artikel enthaltenen Informationen seien zuverlässig gewesen, der Mann sei nicht schlechtgemacht worden. Insgesamt sei der Betroffene durch die Nennung seines Namens nicht in einer Weise an den Pranger gestellt worden („Trial by the media“), die eine Sanktion gegen das Medium rechtfertigen würde (Beschwerde Nr. 60818/10). In einem ähnlichen Fall über denselben Betroffenen (und einen Bericht im „Standard“) hatte der Gerichtshof ebenso zugunsten der Namensnennung entschieden. Der Fall war aber insofern anders gelagert, als dabei mehr Gewicht auf den Verknüpfungen zwischen Politik und Wirtschaft lag und das öffentliche Interesse daher noch stärker greifbar war. Im Gegensatz zum OGH sah der EGMR jedoch keinen Grund, den stärker auf die wirtschaftliche Gestion der Hypo konzentrierten „Profil“-Bericht anders zu beurteilen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2016)

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