„Alle Systeme sind ausgefallen – nur unseres nicht“

New Police recruits take part in a passing-out parade at the new ´Peel Centre´ at the Metropolitan Police Academy in London
New Police recruits take part in a passing-out parade at the new ´Peel Centre´ at the Metropolitan Police Academy in London(c) REUTERS (PETER NICHOLLS)
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Frequentis, der Weltmarktführer bei Flugsicherungssystemen, rüstet mit seinem Know-how im neuen Geschäftsfeld Rettung, Feuerwehr und Polizei aus.

Wenn James Bond von seinem Chef M per Videostreaming geheime Befehle oder auch harsche Schelte bekommt – ist auch österreichisches Hirnschmalz im Spiel. Im übertragenen Sinn natürlich – aber doch: Die Wiener Hightech-Schmiede Frequentis entwickelt hochkomplexe Informationssysteme, mit denen nicht nur zivile und militärische Luftfahrtkontrollzentren weltweit Piloten sicher durch die Luft leiten. Auch Küstenwachen, Bahnbetreiber – und vor allem Organisationen der öffentlichen Sicherheit von Rettung über Feuerwehr bis zur Polizei kommunizieren und kontrollieren mit Frequentis-Technologie.

„Scotland Yard, also die Londoner Metropolitan Police, ist unser anspruchsvollster Kunde“, erzählt Hannes Bardach. Die reale Welt von 007 ist auch der Lieblingskunde von Bardach, weil es da von Innovationen strotzt. Die Aufrüstung der Leitzentrale der Londoner Polizei bildet für Frequentis auch ein Vorzeigeprojekt im Geschäftsbereich öffentliche Sicherheit, der zwar noch klein ist, aber enormes Wachstumspotenzial verspricht. Schließlich soll der Gesamtumsatz jährlich um fünf bis 15 Prozent wachsen.

Um es einfach zu halten: Polizisten werden von der Einsatzzentrale nicht per Funk „dirigiert“, sondern mittels eines vernetzten Systems, das auch soziale Medien, Video und Message-Dienste einbezieht. Das Ganze läuft über das herkömmliche Handynetz, die Polizisten haben Smartphones mit entsprechenden Apps. „Die Technik läuft im Hintergrund, wir liefern eine Dienstleistung, die Leben retten kann“, sagt Bardach.

So wie bei den Kommunikationssystemen für die Flugsicherung (Air Traffic Management) – nach wie vor das größte Geschäftssegment – will er das Unternehmen, das er 1986 kaufte, auch im neuen Geschäftsfeld zum Weltmarktführer machen. Vorerst konzentriert man sich auf Europa, in Deutschland, der Schweiz und in Norwegen ist man schon gut im Geschäft.

In der Luftfahrt gibt es praktisch kaum ein Land, das nicht mit Frequentis-Sprachvermittlungssystemen den Luftraum überwacht. Man möchte fast sagen, dass zu den 300 Kunden in 125 Ländern fast täglich neue dazukommen. Allein in den USA hat das Unternehmen mehr als 100 Flughafen-Tower ausgerüstet. Auch das Spacecraft-Controlcenter der Nasa.

„Wir punkten mit Verlässlichkeit“, sagt Bardach und lacht, wenn er sich an das Desaster bei der Berliner Feuerwehr zum Jahreswechsel 2000 erinnert. „Alle Systeme sind ausgefallen – nur unseres nicht.“ Dass das so bleibt, dafür sorgen die 1500 meist hoch qualifizierten Mitarbeiter, die aus 35 Nationen kommen. „Multikulti war mir immer ein Anliegen“, sagt Bardach, der nach wie vor gern ins Flugzeug steigt, um neue Kunden zu akquirieren. Denn „ausruhen – das gibt es in der Hightech-Welt nicht“. Auch wenn das Unternehmen, das im Vorjahr 230 Mio. Euro umgesetzt und zwölf Prozent in Forschung und Entwicklung gesteckt hat, einen guten Ruf hat. Bardach nimmt das Motto derzeit übrigens wörtlich: Auch der Gipsfuß, den er trägt, bremst ihn kein bisschen. Mit einem Tretroller saust er durch die Zentrale in Wien.

Bewegung – das verlangt der umtriebige Unternehmer nicht nur von seinen Mitarbeitern, sondern auch von der Politik. In jüngster Zeit habe die Politik tatsächlich ein paar positive Signale in Richtung Wirtschaft gesendet, meint er. „Wir werden sehen, was umgesetzt wird, aber endlich geht was weiter“, meint Bardach, der nicht in den Jammertenor vieler Firmenchefs einfällt. Er beklagt auch nicht das hohe Lohnniveau – gute Techniker kosteten überall Geld. Und was ist mit der Qualität der Ausbildung an den Unis? „Wir sind mit den Absolventen Weltmarktführer geworden – so schlecht kann es nicht sein.“ Frequentis bilde die Newcomer auch selbst weiter. Zusätzliches Potenzial bieten jene rund 40 Start-ups, die seit 2001 im unternehmenseigenen Start-up-Center agieren. Probleme mit der Finanzierung? „Ich habe das selbst in die Hand genommen, das gehört in der freien Marktwirtschaft dazu.“ Noch Fragen? Ja: Wann geht Frequentis an die Börse, nachdem der erste Anlauf der Finanzkrise zum Opfer gefallen war? „Schauen wir mal“, meint Bardach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2016)

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