Bauskandal in St. Wolfgang "übertrifft Befürchtungen"

In St. Wolfgang gefährdet der jahrelange Schlendrian mit Bauvorschriften nun sogar die Gemeindefinanzen.
In St. Wolfgang gefährdet der jahrelange Schlendrian mit Bauvorschriften nun sogar die Gemeindefinanzen.(c) APA/BARBARA GINDL
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Der Oberösterreichische Landesrechnungshof stellte eine "eigenwillige Rechtskultur" und hohe finanzielle Schäden fest. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt.

Das Ergebnis einer Überprüfung im Bauskandal im weltberühmten St. Wolfgang im Salzkammergut - bei beinahe 1.000 Bauverfahren gibt es Mängel - durch den oö. Landesrechnungshof (LRH) "übertrifft die Befürchtungen". Das gab dessen Direktor Friedrich Pammer in einer Pressekonferenz am Mittwoch in Linz bekannt.
Demnach habe der Landesrechnungshof gravierende rechtliche Probleme und Missstände festgestellt, aus denen hohe finanzielle Schäden entstanden seien. Der seit 2015 im Amt befindliche neue Bürgermeister von St. Wolfgang hatte bei seiner Einarbeitung die Mängel entdeckt und eine Liste von davon betroffenen 974 Bauakten aus den vergangenen 20 Jahren zusammengestellt: In 634 Fällen fehlt die Fertigstellungsanzeige - damit hätten die entsprechenden Gebäude aber nicht benützt werden dürfen. Bei 162 Projekten liegt zwar eine Fertigstellungsanzeige vor, es hätten aber Maßnahmen gesetzt werden müssen, beispielsweise eine Gebührenvorschreibung. Bei 155 Vorhaben liegt kein Baubescheid vor, obwohl sie längst errichtet sind. Das gilt auch für den von der Gemeinde vorgenommenen Umbau des Amtshauses inklusive Ortsplatzgestaltung sowie die Volksschulsanierung mit Horterweiterung - es handelt sich somit um "Schwarzbauten" - "kein gutes Vorbild", urteilt Pammer. Weiters: "Unsere Detailprüfung hat gezeigt, dass es mehr mangelhafte Akten gibt als in der Mängelliste aufscheinen."

Hunderttausende Euro Schaden - mindestens

Die Folgen der Mängel: Es wurden wegen der Nichterledigung der Bauakten Gebühren - etwa für Wasser- und Kanalanschlüsse sowie Erhaltungsbeiträge nicht vorgeschrieben, dabei sind Forderungen inzwischen verjährt. Die Gemeinde hat vom Land zugesagte Zuschüsse jahrelang nicht abgerechnet und deshalb auch nicht abrufen können, damit hätten rund 100.000 Euro gespart werden können. Alles zusammen macht nach der Detailprüfung von einem Bruchteil der mehreren hundert Akten - konkret 57 - festgestellte Schaden bis zu 300.000 Euro aus. Der Gesamtschaden sei nicht bezifferbar, dürfte aber laut Pammer "deutlich höher" sein. Denn ab 2006 seien kaum Informationen an das Finanzamt weitergeleitet worden. Den Bürgern wurde deshalb zu wenig Grundsteuer vorgeschrieben. "Wir gehen davon aus, dass der Marktgemeinde auch dadurch beträchtliche Einnahmen entgehen", erklärte Pammer.

Der ehemalige Sachbearbeiter sei zeitlich und fachlich überfordert gewesen. Auch die ehemalige Gemeindeführung - Bürgermeister und Amtsleiter - hätten jahrelang auf die Probleme nicht reagiert. Der Prüfungsausschuss des Gemeinderates sei nur "minimal" tätig geworden. Alles zusammen habe in St. Wolfgang zu einer "eigenwilligen Rechtskultur" - nämlich "ist eh wurscht" - geführt, wie es Pammer formulierte - sowohl bei der Verwaltung, als auch bei den Bürgern. "Denn man weiß: Es ist ein Baubescheid zu erstellen und eine Fertigstellungsanzeige notwendig."

Gemeindefinanzen in Not

St. Wolfgang arbeitet derzeit mit externer Hilfe intensiv an der Aufarbeitung der Altfälle. Bis alle abgeschlossen sind, wird aber noch längere Zeit vergehen. Die Gemeinde hat aktuell hohe finanzielle Verpflichtungen aus der Vergangenheit offen, die nicht aus dem laufenden Haushalt beglichen werden können. Es sei ein Sanierungskonzept mit unter anderem dem konsequenten Eintreiben von Außenständen, Dämpfen der Ausgaben und Einmaleinnahmen aus Liegenschaftsverkauf zu erstellen, rät der Landesrechnungshof.

Über die Zustände in anderen Gemeinden wollte Pammer nicht spekulieren, aber er sieht den Fall St. Wolfgang als Anlass für Verantwortungsträger, "in sich zu gehen". Er machte darauf aufmerksam, dass sein Prüfungsauftrag nur die Gemeinde, nicht aber das Land Oberösterreich betraf. Verschiedene Prüfungsinstitutionen hätten seit vielen Jahren auf die Missstände hingewiesen. Es sei aber dem LRH "nicht ersichtlich, dass trotz der Untätigkeit der Gemeinde in verschiedenen Bereichen Fördermittel seitens des Landes OÖ einbehalten oder gekürzt wurden", erklärte er.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Staatsanwaltschaft Wels bestätigte auf Anfrage, dass sie ein Strafverfahren gegen den ehemaligen Bürgermeister und zwei weitere Personen eingeleitet habe. Von FPÖ, SPÖ und Grünen kam die Forderung nach Konsequenzen. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Christian Hubmer teilte mit, den Bericht des LRH habe man erhalten. Er werde in die laufenden Ermittlungen einbezogen. Eine zeitliche Finalisierung sei noch nicht absehbar.

Die Dritte Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer (SPÖ) sprach im Pressedienst ihrer Partei mit Bezug auf den Landesrechnungshofbericht von einem "Polit-Skandal", der lückenlos aufgeklärt werden müsse. Die Vielzahl an aufgezeigten Verstößen lasse auf ein besonderes Ausmaß an politischer Sorglosigkeit in der ÖVP-geführten Gemeinde schließen.

Die Grünen kritisierten, dass entgegen ihrem Wunsch der LRH den Auftrag hatte, nur die Gemeinde zu prüfen. "Offenbar wollte man die Gemeindeaufsicht aus der Schusslinie nehmen", kritisiert die Grüne Gemeindesprecherin und Landtagsabgeordnete Ulrike Böker.

Der für die Gemeindeaufsicht verantwortliche Landesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) verlangte, die aufgezeigten Mängel sollten rasch behoben werden. Das im Prüfbericht erwähnte Sanierungskonzept sollte ehestmöglich realisiert werden.

(APA)

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