So klingen späte Einsichten

SALZBURGER FESTSPIELE 2013: FOTOPROBE 'FALSTAFF'
SALZBURGER FESTSPIELE 2013: FOTOPROBE 'FALSTAFF'APA/BARBARA GINDL
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Werke, die Komponisten in der inneren Emigration schrieben, umgibt oft eine Aura des Geheimnisvollen, manche sind Handgelenksübungen oder Dokumente transzendenten, abgeklärten Humors.

Für den, der sich zurückzieht, ist es die konsequenteste Lösung, nichts mehr zu produzieren – oder jedenfalls nichts von dem, was im stillen Kämmerlein vielleicht entstanden ist, an die Öffentlichkeit zu lassen. So hat es Sibelius gehalten. Rossini hingegen hat sich nicht geniert, seine „Alterssünden“ zu publizieren. Und auf die als Auftragswerk entstandene „kleine festliche Messe“ war er sogar durchaus stolz – sie enthält jedenfalls einige hinreißende melodische Einfälle und ist vor allem in ihrer kammermusikalischen Urgestalt dank des aparten „Orchesterklangs“, der nur von zwei Klavieren und Harmonium erzielt wird, höchst reizvoll. Bei Harmonia Mundi ist eine CD-Version dieser Fassung mit dem Rias-Kammerchor unter Marcus Creed erschienen, in der die wunderbare Krassimira Stoyanova das Sopransolo singt.

Was Verdis „Falstaff“ betrifft, ein Lieblingsstück der großen Dirigenten seit Arturo Toscanini und Victor de Sabata, gibt es zahllose, oft sehr virtuos exekutierte Aufnahmen; wobei die historischen Live-Dokumente unter den beiden genannten grandiosen italienischen Maestri aufgrund der mangelhaften technischen Qualität der Mitschnitte nur für den Connaisseur genießbar sind, während – wiewohl ebenfalls bereits „historisch“ – die im Zuge der Salzburger Festspiel-Einstudierung von 1980 entstandene Gesamtaufnahme unter Herbert von Karajans Leitung bis heute exzellent klingt; und eine der gewiss humorvollsten, doch tiefgründigen Darstellungen dieses vielschichtigen Werks zum Klingen bringt. Das liegt an Karajans Umgang mit den Ensembles, dem Spiel der Wiener Philharmoniker und der unschlagbaren Gestaltungskunst des Giuseppe Taddei.


Altersheim für Künstler. Dass Ambrogio Maestri, Titelheld der heutigen Wiener Premiere, der ideale Falstaff unserer Tage ist, hat er in aller Welt bewiesen. Die Onlineplattform „Fidelio“ lässt das in einer amüsant-werkgetreuen Inszenierung aus Parma studieren, aber auch in der (wie der heutigen Staatsopern-Premiere von Zubin Mehta dirigierten) Salzburger Festspielproduktion, die die Handlung in Verdis Mailänder Altersheim für Künstler entrückt.

Wer die späten Beethoven-Quartette in Interpretationen hören möchte, die nicht nur den geballten Ernst und die kontrapunktische Verdichtung dieser Musik, sondern auch ihren hintergründigen Humor geradezu entspannt zur Geltung bringen, sollte zum Band 1 der Wiederveröffentlichung alter Rundfunkaufnahmen von Rias Berlin mit dem Amadeus-Quartett greifen – großteils noch mono, doch musikantisch hinreißend (bei Audite).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2016)

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