Staatskunst als Off-Ausstellung?

Heimelig? Unheimlich? „Una cosa incredibile è successa“, von Rom-Stipendiat Alfredo Barsuglia.
Heimelig? Unheimlich? „Una cosa incredibile è successa“, von Rom-Stipendiat Alfredo Barsuglia.(c) Barsuglia
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Erstmals wird eines der großen Kunstförderungsprogramme des Bundes in all seiner Breite präsentiert: Kunst aus den Auslandsateliers im ehemaligen Telegraphenamt.

Es steht gleich am Eingang, das große, böse „Karrieremonster“, das der junge Welser Künstler Tomash Schoiswohl extra für den Anlass gebaut hat: riesig und aus Pappkarton, mit einer bunten Laterne in der Hand, um der „(autoritären) Ordnung“ und dem „kognitiven Kapitalismus (des sogenannten Westens)“ heimzuleuchten, ein Symbol einer „Kultur des Widerstands“, wie der Künstler schreibt. Cooler Auftakt eigentlich für eine Ausstellung, die prinzipiell einen Überblick über staatlich geförderte Kunstproduktion der vergangenen 40 Jahre geben soll, gesponsert noch dazu von einer Immobilienfirma, BAI Immobilien, die das Gebäude zur Verfügung stellt, das wunderschöne ehemalige k. u. k. Post- und Telegraphenamt in der Zollergasse.

Das ist der ewige Widerspruche der heutigen Kunst, vor allem der Off-Szene, und als solche wird sie hier auch inszeniert: Sie will systemkritisch sein, lebt aber zum Großteil von Subventionen aus Politik und Privatwirtschaft. Das Dilemma wird bei dieser Gelegenheit nicht gelöst werden. Diese Gelegenheit soll vor allem erstmals in seiner Geschichte ein schon historisch zu nennendes staatliches Förderprogramm öffentlich vorstellen, nämlich die Auslandsateliers des Bundes, die seit den Siebzigerjahren an mittlerweile über 800 Künstler vergeben wurden. Aufzeichnungen über Bewerber und Teilnehmer gibt es allerdings erst ab Mitte der 1980er-Jahre, erfährt man vor einer panoramaartigen Schautafel, die chronologisch alle Orte und „Gewinner“ auflistet. 1985 etwa war der mittlerweile verstorbene Maler Gunter Damisch Stipendiat in Rom, der ersten Auslandsateliersstadt.

Heute stehen zwölf Destinationen bereit, an die pro Jahr rund 50 Künstler aus den Bereichen bildende Kunst, Fotografie und Medienkunst verschickt werden. Am begehrtesten sind natürlich Metropolen wie New York, London, Istanbul, Peking, aber es gibt auch spezialisierte Hideaways wie in Banffs (Kanada, Medienkunst!) oder Krumau (Tschechien, Schiele!). Welche Schicksale sich an diesen Orten abspielen können, erahnt man schnell – von Heimweh, von dem die Dutzenden Gebirgszeichnungen des Schoiswohl-Zwillingsbruders Bernhard erzählen, die er mit Blick auf New Yorks Skyline angefertigt hat, bis zum totalen Eintauchen in die lokale Szene, für das das klingelnde, bimmelnde „China-Bike“ von Albert Mayr steht, mit dem er in Shanghais experimenteller Musikszene mitgemischt hat. Oder von Krankheiten in der Ferne, wie sie Katharina Anna Loidl ereilte, die jetzt ihre aufgrund des Dengue-Fiebers, das sie in Yogyakarta erwischte, ausgefallenen Haare unter Glassturz ausstellt.

Teils spektakulär, teils beliebig

Diese wie viele andere Arbeiten erhielten ihre Form durch diese Ausstellung, erzählt Kuratorin Alexandra Grausam. Denn viele Künstler warten erst auf passende Ausstellungsgelegenheiten, um ihr Material zu verwerten. Bei manchen ist der Auslandsaufenthalt prägend im Werk, bei manchen hemmend, bei manchen kommt vielleicht gar nichts heraus. Es gibt keine konkreten Vorgaben, auch keine des Alters übrigens, so konnte 2014 etwa die renommierte Fotografin und Filmerin Friedl Kubelka drei Monate das Rom-Atelier nutzen, wovon ihre verhaltene filmische Rom-Befragung erzählt.

Irgendein konzises Ausstellungskonzept für dieses in alle Stile, alle Zeiten und alle Himmelsrichtungen explodierende Förderprogramm zu finden, konnte Grausam und ihren Ko-Kuratorinnen, Genoveva Rückert und Katja Stecher, also gar nicht gelingen. So wirkt die Präsentation der aus Einreichungen und Anfragen ausgesuchten gut 100 Arbeiten, aufgeteilt auf vier Stockwerke, teils spektakulär – wie die künstliche Landschaft aus Playmobil-Türmen von Siggi Hofer und aufgerissenen Gräben, also entfernten Bodenplatten, von Michael Strasser –, teils zusammenhanglos. Wie das Leben auf Reisen eben so spielt.

Bis 11. Dezember. Wien 7, Zollergasse 31. Mi–Sa 14–20, So 12–17 Uhr. Rahmenprogramm: www.away.co.at

Leserbrief der Kuratorinnen

Lagerdenken bringt die Gesellschaft nicht weiter

Der Artikel zu "AWAY - a project around residencies" erfordert eine Richtigstellung, da das Projekt in einem falschen Bild dargestellt und die Künstlerinnen und Künstler als linke Staatskünstler diffamiert werden. Eine absurde Polemik, die ins Leere greift beim internationalen Austauschprogramm des Bundeskanzleramts (BKA), in dem es nicht um innenpolitische Auseinandersetzungen geht, sondern darum, sehr breit Künstlern und auch Österreich den wesentlichen internationalen Austausch zu bieten.

Wir haben seitens der ca. 150 in Alter und Bekanntheit unterschiedlichen Künstler große Dankbarkeit dem BKA und den engagierten Mitarbeitern gegenüber erfahren sowie von außen sehr viel Zustimmung für AWAY, welches das Programm auch erstmals transparent macht und im diskursiven Teil (Laboratory) mit Experten kritisch beleuchtet hat. Zur Richtigstellung:
- Das Gebäude war weder ein Leerstand, noch gehört es der BIG, sondern der BAI.
- Nichts von AWAY wurde von ehemaligen Atelierstipendiaten kuratiert, sondern von Alexandra Grausam, Leiterin des Kunstvereins das weisse haus (so die korrekte Schreibweise), mit Genoveva Rückert, OK im OÖ Kulturquartier in Linz, und Katja Stecher, 21er Haus Wien und studio das weisse haus.
- Die Form des Projekts im zwischengenutzten Gebäude ist einer zeitgenössischen Arbeitsweise geschuldet, ein konsequenter Rahmen für das temporäre Verorten bei Residencies und keineswegs eine Verbrämung mit Off-Charme für eine "Staatsausstellung von Staatskunst". Zumal "Off" ja keineswegs ein Adelsprädikat ist, sondern meist nur für prekär und für wenig Unterstützung steht.

Es stellt sich vor allem die Frage, welche "politische" Absicht und Haltung das ebenfalls staatlich geförderte Medium und seine Journalistin in ihrer exponierten Kritik verfolgen, wenn Künstler und ein bis in die 1970er-Jahre zurückgehendes, von unterschiedlichen Lagern politisch verantwortetes Förderprogramm als linke Staatskunst bezeichnet werden. Ein Nachhall auf die jüngste Wahl, wenn mit der "traditionell linken Kunstszene" argumentiert wird?

Wobei sich gerade "die bildende Kunst" ungern parteipolitisch vereinnahmen lässt. Insbesondere die Rhetorik ist sehr irritierend: eine Rückkehr zur Propaganda oder eine Reminiszenz an die 1990er-Jahren, in denen "Freiheit der Kunst statt sozialistischer Staatskünstler" gefordert wurde?

Lager- und Schwarz-Weiß-Denken bringt unsere Gesellschaft nicht weiter. Nur der Diskurs und die ernsthafte Beschäftigung, die sich die Beteiligten an diesem aufwendigen Projekt von so einem renommierten Medium auch erwartet hätten. 

Alexandra Grausam, Genoveva Rückert, Katja Stecher, Kuratorinnen AWAY

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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