Ekstase im Schloss Stubenberg

„Euphoria“ ist das dritte Album der Donauwellenreiter
„Euphoria“ ist das dritte Album der Donauwellenreiterwww.donauwellenreiter.com
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Donauwellenreiter, die kammermusikalische Preziosen und beseelte Lieder auf Ladinisch pflegen, präsentieren auf „Euphoria“ große Gefühle.

Bei mehreren Freiluftkonzerten eines Musikfestivals in Luzern wurde ihnen vergangenes Jahr eines klar: „Dass wir gerade mit stiller Musik größte Spannung erzeugen können. Wider Erwarten sind sehr viele Menschen stehen geblieben. Erstmals haben wir gemerkt, dass unsere Musik auch auf der Straße funktioniert“, erinnert sich Sängerin und Geigerin Maria Craffonara erstaunt. Eines der zentralen Instrumente des 2009 gegründeten Ensembles war das Akkordeon.

Dieses wurde im Vorjahr durch das Cello des im österreichischen Pop sehr umtriebigen Lukas Lauermann ersetzt. Er, der sonst in Bands wie Soap & Skin und A Life A Song A Cigarette spielt, über die Vorzüge einer Band wie Donauwellenreiter: „Da es größtenteils Instrumentalmusik ist, kann sich jeder Mitspieler ideal einbringen. Es gibt hierzulande wenig Formationen außerhalb des Jazz, wo das möglich ist. Und Jazz hätte mich nicht interessiert.“ Wiewohl das musikalische Resultat bei Donauwellenreiter nichts mit Jazz zu tun hat, pflegt das Quartett Arbeitsmethoden, die durchaus jazzaffin sind. Improvisation spielte eine Rolle, aber auch das lustvolle Aufbrechen von Genregrenzen. „Euphoria“, das dritte Album von Donauwellenreiter, zeigt die große Entwicklung, die diese Band mit der Umbesetzung genommen hat.

Dabei hat sie auch kreative Niederlagen in Triumphe verwandelt. Pianist Thomas Castaneda hat sich vergangenes Jahr zum Zwecke des Komponierens im Schloss Stubenberg kaserniert. So sehr er auch die Musen lockte, so wenig zeigten sie sich. „Am Ende habe ich fast alles weggeschmissen, was ich mir da ausgedacht habe. Ein Soundelement hat überlebt. Aus ihm hab ich ,Ecstasy in Stubenberg‘ entwickelt, ein Stück, das der Idee frönt, man könne so lange spielen, bis sich zwangsläufig Ekstase einstellt.“ Das Hochfliegende hat die Band im Vorfeld rasch abgelegt.

„Wollen nicht zu ehrgeizig sein“

„Die Grundidee wäre gewesen, uns an einer zusammenhängenden Tondichtung zu probieren. Das haben wir verworfen“, sagt Craffonara. „Wir wollten nicht zu ehrgeizig sein und zehn Schritte auf einmal machen. Deshalb besannen wir uns darauf, einfach die Band zu präsentieren, wie sie ist. Es ging wieder um abgeschlossene Songs, die so kompakt wie möglich klingen sollten.“ Das tun sie auf überzeugende Weise. Die Unsicherheit durch das Wegfallen des Akkordeons ist bei Craffonara längst verflogen. „Es gibt Momente, wo wir richtiggehend kammermusikalisch agieren“, jubiliert sie über die neue Harmonie zwischen Geige und Cello. Drei Lieder singt die gebürtige Südtirolerin auf Ladinisch. Ihr Gesang wurde in der Wiener Jesuitenkirche aufgenommen. Vermittelt hat dies der Priester und Künstlerseelsorger Jörg Schörghofer. Der kirchliche Raum verhilft Craffonaras charismatischer Stimme zu noch mehr Magie. Allein, worüber sie singt, bleibt im Dunklen. „Hinter dem, dass ich Ladinisch singe, steckt kein Wunsch, besonders exotisch zu sein. Es geht mir halt am leichtesten über die Lippen.“

Dass die Liedtexte, die Gefühle des Ausgeschlossenseins und der Lustlosigkeit poetisieren, nicht im Booklet abgedruckt sind, hat ausschließlich grafische Gründe. Eine weitere Herausforderung für die Pixelschubser war auch der wunderbar sperrige, vom Lyriker Robert Frost geliehene Titel „The Ocean Thought of Doing Something to the Shore That Water Never Did to Land Before“.

„Ach, da gibt es noch viel längere Titel“, wiegelt Komponist Castaneda ab, „ich erinnere mich da an einen von Fiona Apple, der fast 500 Zeichen hatte.“ Seine Hommage an die unbewusste Furcht vor dem Ozeanischen steht stellvertretend für die Akzeptanz der Angst als Teil der Kreativität. „Umbruchphasen sind oft künstlerisch viel fruchtbarer als Zeiten der Harmonie“, weiß auch Craffonara. Einzig Lauermann, der eines seiner Stücke dem Maler Rothko widmete, besteht auf emotionaler Windstille. „Ich bin praktisch nie unruhig. Nur in der Ruhe hab ich die richtige Wahrnehmung.“

AUF EINEN BLICK

Präsentation. „Euphoria“ ist das dritte Album der Donauwellenreiter. Ihre Musik strahlte bislang über die österreichischen Grenzen nach Italien, Schweiz, Bayern und Hessen aus. Heute, am 12. Dezember, stellen sie ihr neues Opus um 20 Uhr im Wiener Radiokulturhaus vor. Nähere Informationen zum Album und zur Band unter: www.donauwellenreiter.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2016)

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