Geld verlieren mit Mario Draghi

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GERMANY-ECB-EU-EUROZONE-BANKINGAPA/AFP/DANIEL ROLAND
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Man kann als Privatanleger ziemlich viel falsch machen. Einer der größten Fehler ist es, als Kleininvestor mit schnelllebigen Wirtschaftsnachrichten Geld verdienen zu wollen.

Wien. Es ist ein schönes Service der Europäischen Zentralbank: Mario Draghis Pressekonferenz nach der Zinsentscheidung wird live im Internet übertragen.

Jeder smarte Kleinanleger kann also den Ausführungen des EZB-Präsidenten folgen und mit dessen marktbewegenden Aussagen Geld verdienen, wenn er nur schnell genug ist und über das nötige volkswirtschaftliche Verständnis verfügt. Könnte man meinen. Weit gefehlt.

Tatsächlich sind die geldpolitischen Aussagen der EZB ein Paradebeispiel für das Rekordtempo, mit dem die Märkte heutzutage auf wichtige Wirtschaftsnachrichten reagieren. Und ein Musterbeispiel dafür, dass private Investoren besser erst gar nicht versuchen, auf schnelllebige Nachrichten hin Wertpapiere, Währungen oder Investmentfonds zu kaufen oder zu verkaufen. Eine entscheidende Frage vor der EZB-Entscheidung von vergangener Woche war, ob die Notenbank ihre monatlichen Anleihekäufe in Höhe von 80 Mrd. Euro reduzieren wird oder nicht. Als die Frankfurter Notenbankzentrale am Donnerstag um Punkt 13.45 Uhr verkünden ließ, das Volumen ab April auf 60 Mrd. Euro zu verringern, gewann der Euro innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde an Wert.

Die Handelssoftware reagiert

Der Grund: Viele Großbanken haben einen Automatismus in ihre Handelssoftware eingebaut. Flackert etwa um 13.45 Uhr eine Schlagzeile der Agentur Bloomberg mit den Begriffen EZB und 60 über den Bildschirm, wird der Euro automatisch gekauft, weil das als graduelle Reduktion des Kaufvolumens interpretiert werden kann.

Ein Ausstieg aus dem in der Geschichte der EZB einzigartigen Quantitative-Easing-Programm wäre ein erster Schritt zu einer Normalisierung der Geldpolitik. Dann könnte eine Anhebung der Zinsen folgen, was wiederum die Währung stärkt, weil Investoren eher in einem Währungsraum mit höheren Zinsen investieren. So das Lehrbuch. Außerdem kann eine graduelle Reduktion der Anleihekäufe auch so interpretiert werden, dass die EZB wieder mehr Vertrauen in die Stabilität der europäischen Wirtschaft hat, was ebenfalls den Euro stärkt. Freilich: Nur wenige Sekunden nach 13.45 Uhr, als klar wurde, dass die Käufe nicht bloß bis September, sondern bis zumindest Dezember 2017 und möglicherweise auch darüber hinaus fortgesetzt werden, setzte der Euro sofort zur Gegenbewegung an und verlor gegenüber dem US-Dollar. Wiederum erfolgte die Kursänderung so schnell, dass man als privater Anleger nicht rechtzeitig reagieren konnte. Wie man es dreht, für kleine Investoren ist die Chance groß, sich die Finger zu verbrennen.

Prinzip des Nichthandelns oft besser

Gleiches gilt für die Pressekonferenz des EZB-Chefs. Als Draghi klarzumachen versuchte, dass die Entscheidungen der Notenbank keineswegs als Tapering – langsamer Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik – zu verstehen seien, brach der Eurokurs ein, noch bevor alle Ausführungen des Italieners über den erwähnten Livestream der Website liefen. Die minimale Zeitverzögerung der Übertragung ist der Grund. Die großen Händler nämlich bekommen die Infos von den Finanzdienstleistern, die im Raum sitzen, ohne Zeitverzögerung.

Das Beispiel der EZB-Zinsentscheidung und Pressekonferenz ist nur eines von vielen, bei denen es sich nicht lohnt, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Generell sei das Prinzip des Nichthandelns – ob es nun Währungen oder Aktien betrifft – für den Durchschnittsinvestor stets besser, meint etwa US-Investmentexperte Peter Mallouk. Denn, so schreibt er in seinem prämierten Ratgeber zu den häufigsten Anlagefehlern, es gelänge ohnehin nur den allerwenigsten Investoren, auf Dauer die wichtigsten Börsenindizes zu schlagen. Vom ständigen Handel mit Wertpapieren profitierten in der Regel bloß die Geldhäuser, die die Handelsgebühren kassieren. Soll das nun heißen, dass man in Zeiten von Nullzinsen sein Vermögen aufs Sparbuch legen und machtlos den realen Wertverfall beobachten soll? Ganz im Gegenteil, sagt Mallouk. Wer einen langfristigen Investmentplan habe, könne auf dem Aktienmarkt nur gewinnen, vorausgesetzt, der Plan werde nicht ständig geändert und das Kapital entsprechend gestreut. Anpassungen im Portfolio vornehmen sollte man nur selten, solange darin Einzeltitel von wichtigen Indizes wie dem Dow Jones oder einem europäischen Stoxx-Index möglichst breit gefächert vertreten sind. Oder, wie Starinvestor Warren Buffett gern sagt: Nichtstun ist oft die beste Investmentstrategie. Dann lassen sich auch die Entscheidungen der EZB und Mario Draghis Pressekonferenzen gleich viel entspannter verfolgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2016)

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