Ein Drittel der Bürger, die vor zwei Jahren den Siebenbürgener Sachsen Johannis ins Präsidentenamt wählten, blieben nun der Parlamentswahl ernüchtert fern. Damit konnten die Rivalen von den Sozialdemokraten klar siegen.
Belgrad/Bukarest. Der Staatschef stand bei Rumäniens Parlamentswahl nicht zur Wahl. Aber dennoch muss sich Präsident Klaus Johannis als der Verlierer des von der Sozialdemokratischen Partei PDS mit mehr als 45 Prozent der Stimmen klar gewonnen Urnengangs fühlen: Es ist auch die Ernüchterung über den Landesvater, der der PSD ein Jahr nach dem ruhmlosen Abtritt ihres einstigen Skandalpremiers Viktor Ponta zu einem eindrucksvollen Comeback verholfen hat.
„Lasst nicht andere darüber entscheiden, was mit Rumänien geschieht, geht wählen!“ Mit diesen Worten hat der Siebenbürger Sachse seine Landsleute eindringlich ermahnt, zu den Urnen zu gehen. Doch vor allem bei den Wählern, die ihm bei der Präsidentenkür vor zwei Jahren noch zu einem überraschend klaren Triumph gegen den Favoriten Ponta verholfen hatten, fand seine Botschaft kaum mehr Gehör. Lag die Wahlbeteiligung vor zwei Jahren noch bei über 64 Prozent, dümpelte sie nun bei knapp 40 Prozent: Mehr als ein Drittel der Wähler, die Johannis noch vor zwei Jahren als Symbol der Hoffnung auf eine Erneuerung des von Parteienfilz geplagten Karpatenstaates gewählt hatten, blieben ernüchtert zu Hause.
Effiziente Mobilisierung
Während die gut organisierten Sozialdemokraten ihre Stammwählerschaft vor allem in ihren Hochburgen gewohnt effizient für den Urnengang mobilisieren konnten, erlitt die einst von Johannis geführte Nationalliberale Partei PNL mit 20 Prozent ein Debakel. 2014 hatten noch 54 Prozent der Wähler für den PNL-Kandidat Johannis gestimmt.
Zwar konnte sich die populistische Antikorruptionspartei Union zur Rettung Rumäniens (USR) mit 9,3 Prozent als drittstärkste Kraft etablieren; doch deren Erfolg ging auf Kosten der PNL. Drei weitere Gruppierungen übersprangen die Fünf-Prozent-Marke und schafften damit den Einzug ins Parlament: die Partei der ungarischen Minderheit (UDMR), die Allianz der Liberalen und Demokraten (Alde) und die Volksbewegungs-Partei (PMP) des ehemaligen Präsidenten Traian B?sescu. Die Sozialdemokraten kündigten bereits an, die Regierung zusammen mit Alde bilden zu wollen.
Als Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt) hatte sich Johannis einst als „Macher“ einen Namen gemacht. Doch ein großer Redner war er nie: In seinem neuen Amt scheint es dem spröden Pragmatiker ein wenig an der Fähigkeit zu mangeln, Visionen zu entwickeln, gesellschaftliche Debatten anzustoßen und zu führen.
Solange PSD-Premier Ponta im Amt war, galt Johannis zumindest als Korrektiv der Macht. Mit der von ihm forcierten Einsetzung des Expertenkabinetts des parteilosen Übergangspremiers Dacian Ciolo? vor Jahresfrist, begann auch sein Heilsbringer-Nimbus zu blättern: Für viele Rumänen ist Johannis mittlerweile nicht viel mehr als ein weiterer Technokrat der Macht.
Konflikte sind zu erwarten
Probleme mit der neuen Regierung sind für Johannis absehbar. Zwar hat der Präsident angekündigt, keine Politiker mit Justizproblemen mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Doch der wegen Wahlmanipulationen zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilte PSD-Chef Liviu Dragnea hat nach dem klaren Sieg seiner Partei Ansprüche auf den Premierposten bereits deutlich gemacht: „Ich bin nicht geneigt, diese Stimmen irgendjemandem zu schenken.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)