Vom Gefängnis in die Freiheit und retour

THEMENBILD: RICHTER PROTESTIEREN - VIELE GERICHTSVERHANDLUNGEN ENTFALLEN
THEMENBILD: RICHTER PROTESTIEREN - VIELE GERICHTSVERHANDLUNGEN ENTFALLENAPA/HELMUT FOHRINGER
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Am 20. März beginnt in Korneuburg der Prozess gegen den Ex-Topbanker S. Weil dieser mit einer Wiener Staatsanwältin verheiratet war, macht die Wiener Justiz einen großen Bogen um das Verfahren.

Hohe Ex-Bankmanager als Angeklagte bzw. Verurteilte – das ist nichts Neues. Man denke nur an den Exchef der Constantia-Privatbank Karl Petrikovics, an Ex-Hypo-Boss Wolfgang Kulterer oder an die Ex-Bawag-Generäle Helmut Elsner und Johann Zwettler. Mit Gewalttaten hatten diese Verfahren freilich nichts zu tun. Es ging um Wirtschaftskriminalität. Ein Ex-Vorstandsmitglied, das des Mordes angeklagt ist – dies ist in der österreichischen Justizchronik ein Sonderfall.

Bis es so weit war, also bis die Staatsanwaltschaft Korneuburg eine Mordanklage erhob, durchlebte S. eine regelrechte Berg- und Talfahrt.

Nach dem 18. September 2015, dem Tag der Tat (wie immer diese letztlich von den Geschworenen qualifiziert wird), wanderte S. in U-Haft. Und zwar in das Gefangenenhaus der Justizanstalt Korneuburg (siehe Foto).

Am 11. November 2015 wurde ein Lokalaugenschein in der Tatwohnung inklusive einer Tatrekonstruktion durchgeführt. Dies brachte aber für den – einen Mordvorsatz bestreitenden – Ex-Banker vorerst keine Wende.

Am 22. Februar 2016 war dann alles anders: S. wurde freigelassen. Der Grund: Das ursprünglich belastende Gutachten des Schießsachverständigen Ingo Wieser wurde von diesem selbst nach diversen Schussversuchen überarbeitet. Die Unfallversion konnte nun nicht mehr widerlegt werden.

Ganze sieben Monate lang konnte sich S. über seine wiedergewonnene Freiheit freuen. Dann wendete sich erneut das Blatt. Ein weiteres Gutachten, nämlich das 36 Seiten starke Papier eines Blutspureninstituts aus dem deutschen Usingen (Hessen), besiegelte bis auf Weiteres das Schicksal des Beschuldigten.

Am 19. Oktober 2016 wanderte S. erneut in U-Haft. Dann ging es schnell. Ende Oktober wurde Mordanklage erhoben. Damit hatte S. keine realistische Möglichkeit mehr, erneut aus der U-Haft entlassen zu werden. Ende November bestätigte der Präsident des eigentlich zuständigen Straflandesgerichts Wien, Friedrich Forsthuber, dass der Prozess in Korneuburg laufen wird. Im Hinblick auf die bei der Staatsanwaltschaft Wien tätige Exfrau von S. solle so der Anschein der Befangenheit der Wiener Richterschaft vermieden werden. Schon das Ermittlungsverfahren war – um schiefe Optik zu vermeiden – in Korneuburg geführt worden.

Am 20. März startet in Korneuburg der Prozess. Den Vorsitz wird Richterin Anna Wiesflecker haben.

Der 21. und 22. März sind als weitere Verhandlungstage bereits anberaumt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2017)

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