Türkei: Nach Putschversuch fast 100.000 Beamte entlassen

Präsident Erdogan sichert seine Macht in der Türkei per Verfassungsreform.
Präsident Erdogan sichert seine Macht in der Türkei per Verfassungsreform.(c) REUTERS (HANDOUT)
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Der türkische Arbeitsminister zieht Bilanz. 135.000 Beamte wurden auf Verbindungen zur Gülen-Bewegung untersucht, fast 100.000 entlassen.

Im Zusammenhang mit dem Putschversuch in der Türkei sind inzwischen fast 100.000 Staatsbedienstete entlassen worden. Arbeitsminister Mehmet Müezzinoglu sagte dem Sender CNN Türk am Dienstag, 135.356 Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst seien auf Verbindungen zur Gülen-Bewegung untersucht worden. 97.679 davon seien entlassen worden.

Erst am Samstag hatten per Dekret erneut 8400 Staatsbedienstete ihren Job verloren, darunter zahlreiche Polizisten und Soldaten sowie Mitarbeiter des Justizministeriums. Die Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich.

U-Haft für Geschäftsmänner

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Dienstag, gegen 110 festgenommene Geschäftsmänner mit mutmaßlichen Gülen-Verbindungen sei Untersuchungshaft verhängt worden. Sie gehörten zu einer Gruppe von 380 Wirtschaftsvertretern, deren Festnahme die Staatsanwaltschaft angeordnet hatte, weil sie verdächtigt würden, die Gülen-Bewegung finanziert zu haben. Bei weiteren 110 davon sei festgestellt worden, dass sie im Ausland seien. Nach 106 Geschäftsleuten werde im Inland gefahndet, 54 seien nach ihrer Festnahme wieder freigelassen worden.

Präsidialreform naht

Die von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Verfassungsreform für ein Präsidialsystem in der Türkei hat trotz Protesten aus der Opposition eine erste Hürde im Parlament genommen. 338 Abgeordnete der Nationalversammlung in Ankara stimmten in der Nacht zu Dienstag dafür, die Beratungen über die einzelnen Artikel für die Verfassungsänderungen aufzunehmen.

Die Reform würde Erdogan deutlich stärken und das Parlament schwächen. Sollten die Verfassungsänderungen im Parlament die notwendigen Dreifünftelmehrheiten erzielen, soll es im Frühjahr zu einer Volksabstimmung kommen. Für die Beratungen der 18 Artikel im Parlament in Ankara sind rund zwei Wochen angesetzt.

Neben der HDP läuft auch die größte Oppositionspartei - die Mitte-Links-Partei CHP - Sturm gegen die Reform. HDP und CHP befürchten eine "Diktatur" in der Türkei. Ministerpräsident Binali Yildirim warb vor den Abgeordneten für die Reform, die der Türkei nach seinen Worten politische Stabilität bringen würde.

(APA/dpa)

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