Die Türkei kämpft gegen den Crash

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Die Türkische Lira hat sich am Donnerstag nach einem Eingriff der Notenbank leicht stabilisiert. Gestoppt ist der Crash der Währung aber nicht. Die Lage bleibt extrem angespannt.

Ankara/Wien. Die Türkische Zentralbank hat am Donnerstag Maßnahmen ergriffen, um den raschen Verfall der Landeswährung Lira einzudämmen. Die Geldschalter der Notenbank blieben geschlossen, die wöchentliche Kreditvergabe an Banken wurde abgesagt. Ziel war die vorübergehende Straffung der Geldmenge zur Unterstützung des Währungskurses. Die Operation ist gelungen. Die Lira hat sich zum ersten Mal seit Tagen wieder aufwärts bewegt. Leicht.

An dem sehr pessimistischen Gesamtbild hat das freilich kaum etwas geändert. Immerhin: Die Aktion war erfolgreicher als ein anderer Eingriff am Dienstag. Da hatte die Notenbank die Regeln für den Handel mit Devisen gelockert, um umgerechnet 1,5 Mrd. Dollar in den Markt zu pumpen. Die Maßnahme blieb wirkungslos, die Lira fiel weiter.

Die Zinsen sollten steigen

Vor dem Hintergrund einer angespannten Sicherheitslage in der Türkei, den geopolitischen Problemen rund um Syrien und dem zunehmend autoritären Auftreten des türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, war die Lira in den vergangenen zwölf Monaten gegenüber dem Euro um mehr als 20 Prozent abgestürzt. Seit Anfang Jänner ist der Kurs um mehr als acht Prozent zurückgegangen. Gegenüber dem an sich schon starken Dollar war der Kollaps noch schlimmer.

Ausgelöst wurde die aktuelle Talfahrt durch die Veröffentlichung der türkischen Finanzdaten zum November. Diese zeigten ein Anwachsen des Budgetdefizits um 590 Mio. Dollar, was den Druck auf die ohnehin angeschlagene türkische Wirtschaft weiter erhöht hatte. Dazu kommt, dass sich die Sicherheitslage in dem Tourismusland zunehmend verschlechtert.

Erst zu Silvester war es in Istanbul zu einem verheerenden Anschlag mit mehreren Dutzend Toten gekommen. Im Vorjahr hatte es drei Anschläge in der Türkei gegeben, die der Terrormiliz Islamischer Staat zugeschrieben wurden.

Die Notenbankmaßnahmen vom Donnerstag wurden laut Nachrichtenagentur Bloomberg im Geheimen durchgeführt. Experten sehen darin allerdings ein Signal dafür, dass die Notenbank bei ihrer nächsten Sitzung am 24. Jänner die Zinsen nach oben schrauben dürfte. Den Hütern der Lira bleibe inzwischen gar nichts anderes mehr übrig, so die Meinung der meisten Analysten. Erdoğan hat sich bisher vehement gegen solche Bestrebungen gestellt und die Notenbank auch massiv kritisiert. Diese Spannungen tragen nicht dazu bei, die Zuversicht der Anleger zu stärken.

„Diese Eingriffe der Regierung in die Funktionsweise der Zentralbank sind einzigartig“, sagte Eirini Tsekeridou, Analyst bei Julius Baer, der „Financial Times“. Die Regierung von Erdoğan gibt aber keine Anzeichen dafür, ihren Kurs ändern zu wollen. Stattdessen wird verbal aufgerüstet. So bezeichnete die Regierung die Ratingagentur Moody's als „Terroristen“, nachdem diese vor einer weiteren Abwertung der Lira in den kommenden Wochen und Monaten gewarnt hatte. Moody's sprach von einem „generell verschlechterten Investitionsklima“ in der Türkei, das sich auch auf die Lage der dortigen Banken negativ auswirken würde. Handelsminister Bulent Tufenkci beschuldigte am Donnerstag nicht näher identifizierte „Spekulanten“, hinter dem Abverkauf der Lira zu stecken: „Es gibt sehr deutliche Zeichen dafür, dass der Wechselkurs manipuliert wird. Es gibt besonders große Abflüsse aus einigen Fonds, die innerhalb und außerhalb der Türkei operieren.“

„Es herrscht totales Chaos“

Unabhängige Währungsexperten sehen das freilich anders. „Wir sind Zeugen einer ausgewachsenen Vertrauenskrise, ausgelöst durch die unklare innenpolitische Lage nach dem Putschversuch, die alles dominierenden Sicherheitsprobleme und die Gefahr eines Downgrades durch die Ratingagenturen“, so Piotr Matys, Analyst bei der Rabobank. „Es herrscht totales Chaos“, sagte ein anderer Händler, der seinen Namen nicht nennen wollte, der „Financial Times“.

AUF EINEN BLICK

Die türkische Lira befindet sich seit Monaten auf Talfahrt. Mit Jahresbeginn ist der Kurs kollabiert. Die Budgetdaten der Regierung haben sich weiter verschlechtert. Dazu kommt eine äußerst prekäre Sicherheitslage. Seit Anfang 2016 ist es zu vier großen Anschlägen in der Türkei gekommen. Gleichzeitig versucht Präsident Recep Tayyip Erdoğan, seine Macht auszubauen, was das Vertrauen weiter untergräbt. Noch im Jänner könnte es zu einer Zinsanhebung kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)

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