„Noch nicht im Rhythmus“: Nummer eins mit Ablaufdatum

Angelique Kerber
Angelique Kerber APA/AFP/PAUL CROCK
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Australian Open: So offen war der Titelkampf selten zuvor, am Ort ihres Durchbruchs ist Branchenführerin Angelique Kerber nun die große Gejagte.

Die Karriere von Angelique Kerber war stets ein Auf und Ab. 2011 denkt sie nach einer Niederlagenserie ans Aufhören, nur ein Jahr später stößt sie erstmals in die Top Ten vor. 2016 feiert sie ihren ersten Grand-Slam-Titel, danach kassiert sie fünf Auftaktniederlagen in Folge. Wieder gelingt ihr die Wende, ihren Durchmarsch an die Weltspitze krönt sie mit dem US-Open-Titel. Und nun, da sie mit 28 Jahren auf dem Tennisthron angekommen ist, zeigt die Formkurve auch schon wieder nach unten. Gut möglich also, dass ihre Regentschaft nur von kurzer Dauer sein wird. Die am Montag beginnenden Australian Open werden ihr erster Prüfstein. Dort, wo sie im Vorjahr den ersten Major-Titel einer Deutschen seit Steffi Graf gewann und wo ihr der endgültige Durchbruch gelang.

Heuer ist Deutschlands Sportlerin des Jahres angezählt nach Melbourne gereist. Die Generalprobe in Sydney hatte Kerber verpatzt, schon zum Auftakt musste sie sich der 19-jährigen Russin Daria Kasatkina (WTA-26.) beugen. Zuvor war sie in Brisbane im Viertelfinale an der Ukrainerin Jelena Switolina (WTA-13.) gescheitert. „Ich bin noch nicht im Rhythmus, habe zu viele Fehler gemacht und hatte kein Gefühl für den Ball“, meinte die Kielerin. Ihre Matchbilanz 2017 lautet 1:2, ihre Bilanz als Nummer eins immerhin 10:6.

Im Ranking hat Kerber noch einen komfortablen Punktevorsprung, mit einem Finaleinzug in Melbourne (Auftaktgegnerin ist Lesia Tsurenko aus der Ukraine, WTA-61.) kann sie Position eins aus eigener Kraft verteidigen. Dennoch rechnen manche mit ihrer baldigen Ablöse. John McEnroe etwa sagt: „Ich erwarte nicht, dass sie lange Zeit Nummer eins bleibt.“ Doch der ehemalige Weltranglistenerste, 57, hat die Deutsche schon einmal unterschätzt. „Ich hätte nie gedacht, dass Kerber Nummer eins wird. Sie ist nicht besonders groß, hat keinen guten Aufschlag.“


Die Jägerinnen.
Wer also könnte sie ablösen? Serena Williams, die Nummer zwei, ist mit 35 Jahren verletzungsanfällig, bei ihrem Comeback in Auckland Anfang Jänner war in Runde zwei Endstation. Sydney-Finalistin Agnieszka Radwańska, 27, ist seit acht Jahren Stammgast in den Top Ten, erst einmal aber stand die Polin in einem Major-Endspiel (Wimbledon 2012). Und die Rumänin Simona Halep, 25, kämpft mit der Konstanz, zuletzt hat sie im Sommer 2016 ein Finale erreicht.

US-Open-Finalistin Karolína Plíšková hingegen stürmt im Ranking weiter unaufhaltsam nach oben, die Tschechin triumphierte in Brisbane, hat heuer bei fünf Siegen noch keine Partie verloren. Trotz einer Oberschenkelblessur ist die 24-Jährige eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen. Auch Garbiñe Muguruza, 23, wurde schon als künftige Nummer eins gehandelt, seit ihrem French-Open-Sieg 2016 aber ist die Spanierin von Platz zwei auf sieben abgerutscht. Madison Keys, mit 21 Jahren die jüngste Spielerin in den Top Ten, fehlt in Melbourne wegen einer Handverletzung.

So offen war der Titelkampf beim ersten Saisonhighlight selten zuvor. Auch Kerber könnte die Tenniswelt einmal mehr eines Besseren belehren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2017)

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