Merkel verlangt mehr Rückführungen

Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkelimago/Jürgen Heinrich
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Acht Monate vor der Bundestagswahl erhöht Bundeskanzlerin Angela Merkel den Druck auf die Länder. Geplant ist unter anderem ein gemeinsames Schubhaftzentrum in Berlin.

Berlin. Bei einem Treffen mit den Spitzen der Unionsfraktion vor einigen Wochen soll Angela Merkel diesen Satz gesagt haben: „Für die nächsten Monate ist das Wichtigste: Rückführungen, Rückführungen und nochmals Rückführungen.“

In den nächsten Monaten, konkret bis zum 24. September, hat die Kanzlerin nämlich einen Wahlkampf zu schlagen, in dem sie es schwerer haben wird als noch vor vier Jahren. Nicht nur, dass es mit der AfD ein neues Protestangebot von rechts gibt. Dieses Mal steht auch Merkels liberale Flüchtlingspolitik zur Abstimmung – obwohl sie sich davon längst verabschiedet hat, wie etwa die Kontrollen an der österreichischen Grenze belegen.

Für das Wahljahr 2017 hat sich Merkel nun vorgenommen, die Zahl der Rückführungen – 2015 waren es 20.888 Personen, im Vorjahr dann schon 25.375 – weiter zu erhöhen. Zu diesem Zweck hat sie den Ministerpräsidenten, die Donnerstagabend im Kanzleramt zu Gast waren, einen 16-Punkte-Plan zur Unterschrift vorgelegt. Darin ist unter anderem ein „Gemeinsames Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr“ vorgesehen, das vom Innenministerium innerhalb von drei Monaten in Berlin eingerichtet wird. Dort sollen Sammelabschiebungen koordiniert und fehlende Dokumente beschafft werden.

Spätestens der Fall Anis Amri hat Schwächen im deutschen Asylwesen offengelegt. Der spätere Attentäter von Berlin war im Sommer 2015 ins Land gekommen und hätte im Jahr darauf eigentlich abgeschoben werden sollen. Doch daraus wurde nichts, weil die Papiere aus seiner Heimat, Tunesien, fehlten. Außenpolitisch sollen nun neue Rücknahmeabkommen mit säumigen Staaten ausverhandelt werden.

Im Inland ist offenbar eine stärkere Zentralisierung der Asylverfahren Merkels Ziel. Derzeit sind die Länder für die Rückführungen verantwortlich. Der Bund, heißt es in dem Papier, aus dem Spiegel Online vorab zitiert hat, biete seine Unterstützung an: „Einen Mehrwert könnten Bundesausreisezentren schaffen, die den Ländern eine Verantwortungsübergabe für die letzten Tage oder Wochen des Aufenthalts von Ausreisepflichtigen ermöglichen.“ Vereinfacht gesagt: Der Bund will selbst darauf achten, dass kein Asylwerber untertaucht.

Streit wegen Afghanistan

Innenminister Thomas de Maizière forderte in der ARD eine „gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern“. Alle müssten mehr tun. So besteht de Maizière zum Beispiel auf Sammelabschiebungen nach Afghanistan, weil er (wie Merkel) der Meinung ist, dass das Land mittlerweile sicher genug ist. Doch jene Bundesländer, die von einer linken Mehrheit regiert werden, leisten hier Widerstand.

Dafür ist man sich in einem anderen Punkt einig: Abgelehnte Flüchtlinge, von denen „erhebliche Gefahr für Leib und Leben ausgeht“, sollen leichter in Schubhaft genommen werden können. Zudem will man dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erlauben, Handys und SIM-Karten auszuwerten, damit es die Identität schneller feststellen kann.

Im Plan der Kanzlerin sind auch finanzielle Anreize für freiwillige Heimkehrer vorgesehen. 90 Millionen Euro will der Bund allein heuer für Reintegrationsprogramme ausgeben. Je früher sich eine Person für die Ausreise entscheidet, desto höher fällt der Bonus aus.

Kritik an den Plänen kam nicht nur von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch von der Polizeigewerkschaft: Deutschland solle sich hüten, seine Werte durch politischen Aktionismus zu opfern, nur um einige Tausend Menschen etwas schneller aus dem Land zu bekommen, so GdP-Chef Jörg Radek.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2017)

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