Vida-Chef: Arbeitszeitflexibilisierung wäre "brutaler Lohnraub"

INTERVIEW MIT OeBB-GEWERKSCHAFTER ROMAN HEBENSTREIT
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Mit den Überstundenzuschlägen würde man den Arbeitnehmern rund 1,6 Milliarden Euro wegnehmen. Roman Hebenstreit tritt für eine Arbeitszeitverkürzung ein.

Vida-Gewerkschaftschef Roman Hebenstreit spricht sich im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil" kritisch zu einer weiteren Arbeitszeitflexibilisierung aus. Bei der von der Wirtschaft gewünschten Flexibilisierung mit zwei Jahren Durchrechnungszeitraum gehe es in Wirklichkeit um "brutalen Lohnraub" durch die Arbeitgeber.

"Wenn man zwei Jahre Zeit hat, bis die erste Überstunde anfällt, vernichtet man de facto alle Überstunden. Sie werden zwar geleistet, gelten aber als Normalarbeitszeit", argumentiert Hebenstreit. In Österreich fallen jedes Jahr gut 200 Millionen bezahlte Überstunden an. Bei einem durchschnittlichen Überstundenzuschlag seien das in Summe 1,6 Milliarden Euro. "In Wirklichkeit nimmt man Arbeitnehmern so Milliarden an Euros weg."

Kaske zuversichtlich

Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske sagte im "Ö1-Morgenjournal", die Arbeitszeiten seien schon jetzt sehr flexibel. Dass Aufträge nicht erledigt werden könnten, glaubt der AK-Präsident nicht. Die Flexibilisierung sei "kein Wunschkonzert der Arbeitgeber", Beschäftigte müssten weiterhin etwa genug Ruhezeiten haben.

Für die anstehenden Verhandlungen über die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die die Regierung an die Sozialpartner ausgelagert hat, ist Kaske dennoch zuversichtlich. Es gebe genug Verhandlungsmasse. Kaske erinnerte daran, dass die Arbeiterkammer etwa ein Qualifizierungsgeld bzw. eine Qualifizierungswoche vorgeschlagen habe.

Sechste Urlaubswoche als Ausgleich zu wenig

Sollte sich die Wirtschaft mit ihren Forderungen durchsetzen, würde als Ausgleich die von der Gewerkschaft geforderte sechste Urlaubswoche nicht ausreichen. "Man wird über eine massive Arbeitszeitverkürzung und zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen sprechen müssen", so der Gewerkschafter und ÖBB-Betriebsratsvorsitzende Hebenstreit.

Angesprochen auf die von der Regierung geplante Lockerung des Kündigungsschutzes für über 50-Jährige meint Hebenstreit, darüber könne er als Gewerkschafter nie glücklich sein. "Man könnte sich der Aufgabe, Ältere am Arbeitsmarkt zu halten, aber auch ernsthafter widmen." Angesichts des Auftragsvolumens bei öffentlichen Aufträgen von 40 Milliarden Euro könnte man künftig Aufträge nur an Firmen vergeben, die auch Ältere beschäftigen.

Die Mindestsicherung liege derzeit zu nahe an den niedrigsten Löhnen, denn die Mindestsicherung solle das existenzielle Überleben sichern, der Mindestlohn hingegen solle ein würdiges Leben ermöglichen. "Wenn Leistung sich wieder lohnen soll, wie die Wirtschaftsvertreter so gerne betonen, müssen wir dafür sorgen, dass man mit 40 Stunden ehrlicher Arbeit nicht am sogenannten Armutsschwellenwert landet, der bei 1.136 Euro netto liegt." Hebenstreit rechnet zwar mit einer Lösung zum Mindestlohn durch die Sozialpartner, sagt aber auch: "Um unser Ziel 1.700 Euro Mindestlohn zu erreichen, ist mir fast jedes Mittel recht. Notfalls auch ein gesetzlicher Mindestlohn von 1.500 Euro."

(APA)

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