Der Hang zum Protektionismus

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Die USA sind keine Ausnahmeerscheinung. Die Angst vor ausländischer Konkurrenz, Freizügigkeit und Freihandel wächst auch in Europa.

Es ist ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke, sich und die Seinen schützen zu wollen. In einer Umwelt, in der es unsicherer, instabiler und vor allem unkalkulierbarer geworden ist, umso mehr. Die einfache Antwort, die nicht nur US-Präsident Donald Trump, sondern auch zahlreiche Politiker in Europa dieser Tage geben, ist die Abschottung. Signale in diese Richtung werden auch von der heimischen Politik bis hinauf zum Bundeskanzler ausgesandt. Aber ist beispielsweise der Versuch, die eigene Produktion durch Strafzölle zu bevorzugen, den eigenen Arbeitsmarkt vor Konkurrenz von Billigarbeitskräften zu schützen, tatsächlich die langfristig richtige Lösung?

Seit den 1990er-Jahren galt in der Europäischen Union eines als sicher: Der gemeinsame Binnenmarkt sorgt für eine stabile Basis in unruhigen Zeiten der Globalisierung. Wenn zwei Drittel des Handels mit relativ ähnlich wohlhabenden Partnern abgewickelt werden, so hieß es, könnten externe Krisen besser abgefangen werden. Die vier Freiheiten des Binnenmarkts (für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitnehmer) schienen so lang ein Garant für Ausgleich und Prosperität, bis die Krise intern begann. Obwohl die Auswirkungen der Finanz- und Schuldenkrise für Einzelpersonen in Ländern wie Österreich kaum spürbar waren, wuchs die Skepsis, ob das Konstrukt noch hält. Die Flüchtlingskrise gab ihm den Rest.

Mit einem Mal ist das Schließen der Grenzen zum Allheilmittel gegen alle Ängste und wirtschaftliche Verwerfungen geworden. In der Schweiz wurde von einer Bevölkerungsmehrheit die Teilnahme am EU-Binnenmarkt aus Angst vor einer Massenzuwanderung infrage gestellt, in Großbritannien gleich ganz beendet. In den Kampagnen wurde suggeriert, dass weniger Zuwanderung auch wirtschaftliche Vorteile und weniger Kosten für den Staat bringe. Nicht einkalkuliert wurde, dass hier auch Kaufkraft, Unternehmertum, notwendige Dienstleistungen und nicht zuletzt Steuern und Abgaben verloren gehen.

Laut einer jüngsten Eurobarometer-Umfrage sind die Österreicher in der gesamten EU am negativsten gegenüber der Freizügigkeit von Arbeitnehmern eingestellt, sogar negativer als die Briten. Rund ein Drittel lehnt die Freiheit, überall in der Union zu leben, zu arbeiten und Geschäfte zu machen, ab.

Es klang verführerisch und für viele überzeugend, als angekündigt wurde, dass nun in Österreich ansässige Arbeitnehmer den Vorrang bei Jobs bekommen sollen. In Großbritannien war in ähnlicher Weise die Überzeugung gewachsen, dass es dem Land besser gehen werde, wenn nach dem Brexit keine Polen mehr ins Land kämen. Aber auch diese Rechnungen sind zu einfach. Denn sie gehen von singulären, einseitigen Maßnahmen aus. Sie berücksichtigen nicht, was geschieht, wenn andere ebenso handeln und langsam in den Wirtschaftsmotor des Europäischen Binnenmarkts immer mehr Sand geschüttet wird.


Mit einem Mal könnte dann die Arbeitsgenehmigung für Angestellte österreichischer Firmen, die Anlagen in anderen EU-Ländern errichten, verweigert werden. Mit einem Mal könnte es für Absolventen heimischer Unis deutlich schwieriger werden, in ihrem Spezialgebiet einen Job zu finden, weil nur noch die wenigen heimischen Stellen zur Verfügung stehen. Und mit einem Mal könnte es fast unmöglich werden, Pflegepersonal für ältere Personen zu finden.

Wer noch einen Schritt weiterdenke, wird vielleicht erkennen, dass es damit nicht endet. Irgendwann – es braucht nur einen Sieg von Marine Le Pen in Frankreich – wird die vermeintliche Absicherung nationaler Arbeitsplätze auch die Abschottung ausländischer Warenkonkurrenz bedingen. Exportnationen wie Österreich werden nicht mehr auf den ungehinderten Absatz im Binnenmarkt vertrauen können. Arbeitsplätze, nun auch jene von Inländern, werden verloren gehen, viele Produkte werden teurer.

Vieles muss in der EU fairer und transparenter werden – auch im Binnenmarkt. Aber der Protektionismus bringt das nicht. Er ist eine eindimensionale Antwort auf komplexe Probleme wie soziale Verwerfungen, Finanzblasen oder Steuerdeals von Konzernen.

E-Mails an:wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2017)

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