Trump empfängt "Desaster"-Merkel

Angela Merkel fliegt in Kürze über den Atlantik, wo Donald Trump schon auf sie wartet.
Angela Merkel fliegt in Kürze über den Atlantik, wo Donald Trump schon auf sie wartet.(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
  • Drucken

Große Spannung vor erstem Treffen des US-Präsidenten mit der von ihm viel gescholtenen Kanzlerin am Dienstag im Weißen Haus. Auch sie ist vorbereitet.

Wenn Donald Trump seinen Wählern beschreiben will, was dabei herauskommt, wenn Politik zu lasch und zu wenig patriotisch ist, fällt häufig der Name Angela Merkel. Ein „Desaster“ sei die Entscheidung der deutschen Kanzlerin zur Aufnahme Hunderttausender syrischer und anderer Flüchtlinge gewesen, hat Trump vor und nach seinem Wahlsieg mehr als einmal gesagt. Am Dienstag aber empfängt der Mauerbauer Trump nun die Grenzöffnerin Merkel erstmals im Weißen Haus. Die Begegnung dürfte interessant werden, denn vorführen lassen will sich die Ostdeutsche von dem New Yorker nicht: Gesundes Selbstbewusstsein heißt Merkels Rezept im Umgang mit dem Populisten im Weißen Haus.

Merkel habe in der Flüchtlingspolitik einen „katastrophalen Fehler“ begangen, sagte Trump nach seinem Sieg. Per Twitter ließ er wissen, Merkel „ruiniere“ Deutschland. Auch sonst kommen die Deutschen bei ihm und seinen Leuten nicht so gut weg. EU und Euro seien nur ein „Vehikel Berlins“, sagten Trump und sein Wirtschaftsberater, Peter Navarro. Gleichzeitig gelten die Deutschen als Nato-interne „Wehrdienstverweigerer“, weil sie trotz ihres Wohlstands vom vereinbarten Ziel von Militärausgaben in Höhe von zwei Prozent des BIPs weit entfernt sind. Wenig Freude hatte Trump auch, als er von Merkel beim ersten Telefonat der beiden nach seiner Amtseinführung im Jänner über die Verpflichtungen aller Staaten nach der Genfer Flüchtlingskonvention belehrt wurde.

Die Deutschen sorgen sich wegen jüngst enthüllter CIA-Schnüffeleien von Frankfurt aus und wegen protektionistischer Tendenzen der US-Regierung, die für die Exportnation Deutschland nachteilig sein könnten: Mehrmals drohte Trump mit Strafzöllen für deutsche Konzerne. Mit Sorge sieht Berlin auch Versuche der USA, die Außenbeziehungen zu „bilateralisieren“: Statt sich mit der EU als Ganzes auseinanderzusetzen, will Trump mit den Staaten einzeln ins Geschäft kommen. So will er vorhandene Differenzen, etwa beim deutschen Exportüberschuss, bilateral klären. Das ist eine neue Lage für Merkel, die bei den anderen US-Präsidenten ihrer bisherigen Amtszeit, George W. Bush und Barack Obama, von einem gewissen Grundkonsens in diesen Dingen ausgehen konnte.

Trump erklären, wie die Dinge so laufen

Die Kanzlerin will Trump deshalb erläutern, wie die Dinge im europäischen Bund laufen, ihm darlegen, dass Nationalstaat und EU-Mitgliedschaft für Berlin „zwei Seiten derselben Medaille“ seien, sagte Merkel am Freitag. Dazu gehöre der Hinweis, dass es Themen wie Handel gebe, für den die EU-Kommission allein zuständig ist. Zudem solle in Washington versucht werden, gemeinsame Interessen „möglichst zu identifizieren“. Das klingt nicht nach vielen Gemeinsamkeiten. Dennoch darf Merkel sicher sein, dass sie im Weißen Haus ein Land vertritt, das dort ob seiner Wirtschaftskraft respektiert wird.

Auf dieser Basis wird sie auch über Russland sprechen: Merkel hat viel Erfahrung mit Wladimir Putin und will eruieren, welche Linie Trump wirklich gegenüber Moskau fahren will, denn bisher scheint es ein Kuschelkurs zu sein. Im Übrigen geht man davon aus, dass Trump eine Drohkulisse aufbaut, mit der er nach Sitte unternehmerischen Dealmakings das Gegenüber einschüchtern will, um Zugeständnisse zu kriegen. Merkel ist gewarnt – und hat zur Vorbereitung mit Leuten geredet, die Erfahrung mit Trump haben, etwa Kanadas Premier, Justin Trudeau.

Wie wird er Hände schütteln?

Ein Thema könnte da auch das Händeschütteln gewesen sein: In seiner kurzen Amtszeit hat sich Trump einen Namen als aggressiver Händeschüttler gemacht, der sein Gegenüber bei der Begrüßung gern mit einem Ruck an sich zieht. Wie sehr das einen Gast überraschen kann, sah man beim Besuch des japanischen Ministerpräsidenten, Shinzō Abe, der total überrumpelt wurde. Wie die in diesen Dingen sehr zurückhaltende Kanzlerin damit umgehen wird, bleibt abzuwarten.

HINTERGRUND

Am Dienstag besucht Angela Merkel erstmals den neuen US-Präsidenten, Donald Trump, in den USA. Für die 62-jährige ostdeutsche Pastorentochter ist der 70-jährige New Yorker Millionär, der sie mit seinen 1,88 Metern Größe um stattliche 23 Zentimeter überragt, der bereits dritte US-Präsident in ihrer Kanzlerschaft nach George W. Bush und Barack Obama. Trump hat bisher erkennen lassen, dass er von Merkel nicht allzu viel hält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Donald Trump und Angela Merkel.
Österreich

Drohen und locken: Was Merkel im Gepäck hat

Die deutsche Kanzlerin trifft am Freitag erstmals auf US-Präsident Trump. Großes Thema ist die Handelspolitik. Führt Amerika Zölle oder Importsteuern ein, will die SPD mit Kapitalverkehrskontrollen zurückschlagen.
Angela Merkel kann erst später als geplant in die USA reisen.
Außenpolitik

Merkel muss USA-Reise wetterbedingt verschieben

Kurz vor der Abreise musste die deutsche Kanzlerin ihren für Dienstag geplanten Besuch bei US-Präsident Donald Trump verschieben.
Donald Trump verbringt ab und zu seine Wochenenden in seinem Luxusanwesen Mar-a-Lago und lädt auch gerne Regierungschefs dorthin ein.
Home

Trump plant Treffen mit Chinas Präsident im April

Trump soll Xi Jinping auf sein Luxusanwesen in Florida eingeladen haben, berichten Medien. Ein Treffen könnte schon im April stattfinden.
Außenpolitik

Zwei wie Trump und Merkel - mächtig und grundverschieden

Von Sympathie zwischen den beiden Politikern kann keine Rede sein. Das Treffen am Dienstag wird als erster Gradmesser gewertet, der zeigen soll was von der Freundschaft zwischen der EU und den USA noch übrig ist.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.