Besetzt doch endlich alle Universitäten!

Die Besetzer des Audimax schenken uns endlich wieder die perfekte Erregung. Ihre realistischeren Kollegen der anderen Unis sollten sich dem Protest schnell anschließen – mit eigenen Forderungen.

Was ist schlimmer? Wenn man als demonstrierender Student von „Krone“ und Freunden als marxistischer Chaot mit kriminellem Potenzial beschimpft wird, oder wenn einen Peter Pilz besucht und das gemeinsame Foto (mit StudentInnen) in einer Zeitung erscheint? In der „Krone“. Die Wahl fällt schwer.

Beide Seiten müssen den Demonstranten dankbar sein. Endlich gibt es ein Thema, bei dem keiner sinnlos differenzieren muss, sondern sogar in einem Rausch, wie ihn das Audimax noch nicht erlebt hat, weiß, wo er zu stehen hat. Die Schlachtrösser linker Proteste, deren Namen jeder „Falter“-Leser gebetsartig flüstern kann, waren schon alle bei den Besetzern. Solidarisch natürlich.

Und die Bürgerlichen von nah – also etwa vom Juridicum – und fern – wie den anarchistenfreien Landeshauptstädten – geraten fast in kriegerische Erregung, wenn es um die Kosten für Schmierereien und zerbrochene Scheiben an der Uni geht. Oder um deren entgangene Mieteinkünfte. Dabei hat die Besetzung des Auditorium Maximum mehr mit Wissenschaft zu tun als die Kabarettprogramme und Osterinsel-Diavorträge, die dort sonst abends veranstaltet werden. (Was das gute Recht einer unterfinanzierten Uni ist.)

Selbstverständlich sind die meisten Ziele des Audimax-Blocks nicht undämlich. Neben der Forderung nach Umverteilung und einem Ende jedes Leistungsdenkens fehlt nur die Einführung des Weltfriedens auf ihrer Charta.

Aber die Studenten haben absolut recht: Ihre Studienbedingungen sind katastrophal und eine Schande für ein Land, in dem jeder Lokalpolitiker den Wert der Forschung beschwört. Dagegen zu demonstrieren ist ihr gutes Recht. Zumal dieselben Kritiker, die die Uni-Besetzung als Vorboten eines Kommunistenputsches sehen, die Studenten gern wegen ihrer politischen Feigheit höhnen. Nein, die Basis-Spaß-Fraktion aus dem Audimax macht wenigstens etwas. Die Tatsache, dass sie gegen die Studiengebühren, die ihre universitäre Situation verbessern und die Besserverdiener (und deren Kinder) treffen würden, demonstrieren, ist schwer zu begreifen. Die SP-Spitze brauchte eine Woche, bis sie aufgab; die Gebührenabschaffer stellten sich dann hinter die Demonstranten. Das ähnelt jenen Deutschen, die vor dem Numerus clausus geflohen sind und nun gegen Studienbedingungen demonstrieren, die sie mit ihrer eigenen Inskription verschlimmern.

Warum nehmen sich nicht andere ein Beispiel an den Audimax-Besetzern? Die habituell reifen Funktionäre der Jungen Volkspartei könnten ihrem Seniorenchef die Meinung sagen. Die Hochschülerschaft der Wirtschaftsuniversität könnte ihre Mensa besetzen und für Steuersenkung Stimmung machen. Die Juristen könnten sich in ihren Hörsälen gegen den Bruch des Generationenvertrags versammeln. Muss ja nicht gleich eine Demo sein. Warum überlassen alle die Bühne ihren linken Kollegen?

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2009)

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