London lässt sich nicht einschüchtern

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Das Attentat von Westminster geht auf das Konto eines Briten (52). Khalid M. war dem Inlandsgeheimdienst bekannt.

So anstrengend und manchmal auch irritierend das Leben in London sein kann, so unfehlbar erhebt sich die britische Hauptstadt in Stunden der Bedrohung zu einer bewegenden Größe. Auf den Terroranschlag von Mittwoch reagierten die Londoner am Donnerstag mit einer Vielzahl an Solidaritätsbekundungen. Eine Abwandlung des weltberühmten Logos der Londoner U-Bahn mit rotem Kreis und blauen Balken trug anstelle eines Stationsnamens die Worte „We are not afraid“. Über Twitter (#WeAreNotAfraid) wurde das Bild Hunderttausende Male verbreitet.
So entschlossen wie die Bürger stellte sich die Staatsführung gegen den Terror. Premierministerin Theresa May sagte in einer bis auf den letzten Platz besuchten Parlamentssitzung: „Gestern versuchte ein Terrorakt, unsere Demokratie zum Schweigen zu bringen. Aber heute treten wir wieder so zusammen, wie es Generationen vor uns getan haben und künftige Generationen tun werden, um eine klare Botschaft zu geben: Unsere Entschlossenheit gegen den Terror wird niemals wanken.“ Bürgermeister Sadiq Khan sagte: „London wird sich nicht vom Terror einschüchtern lassen.“

Islamischer Staat bekannte sich

May informierte die Abgeordneten, dass es sich bei dem Täter von Mittwoch um einen „in Großbritannien geborenen Mann“ handelte, der in der Vergangenheit vom Inlandsgeheimdienst MI5 wegen Terrorverdachts untersucht worden war. Er sei jedoch eine „Randfigur“ gewesen, die „nicht auf der aktuellen Landkarte“ möglicher Attentäter aufgeschienen sei. Bei dem Täter handelte es sich um den 52-jährigen Khalid Masood, geboren in Kent und zuletzt wohnhaft in den West Midlands. In Polizeiakten war er wegen Raufhändel und kleinerer Delikte amtskundig. Und auch als Islamist war er offenbar bekannt, sonst hätte ihn der Geheimdienst nicht durchleuchtet. Doch als besonders gefährlich galt er nicht. Niemand hätte ihm zugetraut, erst mit einem Auto Passanten auf der Westminster Bridge niederzumähen und danach auf dem Parlamentsgelände einen Polizisten zu erstechen.
Die Terrororganisation Islamischer Staat bekannte sich am Donnerstag zu dem Anschlag. Die britische Polizei ging zunächst von einem Einzeltäter aus und sprach ebenso wie Experten von einem „islamistisch inspirierten“ Anschlag. Raffaello Pantucci vom Royal United Services Institute sagte: „Wir sehen einen beängstigenden Trend zu einsamen Wölfen, die allein handeln, aber von anderen Taten inspiriert sind.“ Diese Täter seien besonders schwierig aufzuspüren: „Wer ein Auto und ein Messer verwendet, ist schwerer zu finden als jemand, der eine Bombe baut.“
In der Nacht auf Donnerstag durchsuchte die Polizei sechs Wohnungen in London, Birmingham und anderen Landesteilen. Acht Personen wurden festgenommen, drei davon in einem Wohnbezirk von Birmingham, wo auch das Tatfahrzeug, ein Hyundai, gemietet worden war.

Acht Verhaftete unter Terrorverdacht

Kurz darauf wertete die britische Polizei die Festnahmen als Volltreffer: Alle acht Festgenommenen würden der Terrorvorbereitungen verdächtigt, teilte die Polizei am Abend mit. Die Ermittlungen würden mit Hunderten Beamten fortgesetzt, zu Redaktionsschluss gab es noch Razzien in Wales, Birmingham und London.
Nach letzten Informationen kamen bei dem Anschlag vier Personen ums Leben: Der US-Bürger Kurt Cochran, die Lehrerin Aysha Frade, der Polizist Keith Palmer und der Täter. Drei Kugeln streckten den Attentäter nieder. Ein Leibwächter von Verteidigungsminister Fallon hatte sie abgefeuert. Er hatte, im Auto auf seinen Chef wartend, die Messerattacke auf den Polizisten im Vorhof des Parlaments gesehen und blitzschnell reagiert.
Die Lehrerin Frade, 43, war britische Staatsbürgerin, verheiratet, mit zwei Kindern. Auch Palmer, 48, war verheiratet, hatte zwei Kinder und stand seit 15 Jahren im Polizeidienst. Cochran war mit seiner Frau zur Feier des 25. Hochzeitstags in London. Sie wurde schwer verletzt. Von den 40 Verletzten, die der Anschlag forderte, waren gestern noch 29 in medizinischer Behandlung, sieben in kritischem Zustand. Die Queen sprach den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus.
May würdigte Palmer: „jeder Zoll ein Held“. Indem er den Angreifer am Eindringen ins Parlament hinderte, habe er Schlimmeres verhindert. An Flugplätzen und Bahnhöfen wurde die Polizeipräsenz verstärkt. Obwohl die Abgeordneten die Sicherheitslage im Palace of Westminster, dem Parlamentssitz, diskutierten, forderte niemand eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Vorerst. Stattdessen brachten die Londoner Mut und Entschlossenheit zum Ausdruck. In der U-Bahn-Station Tottenham Court Road stand auf der Nachrichtentafel geschrieben: „Seite an Seite stehen wir zusammen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2017)

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