Maria Lassnig: Malerkraft plus "Woman Power"

 „Woman Power“, 1979, Hauptwerk aus Maria Lassnigs New Yorker Zeit, gehört zur Sammlung Essl, die sich als Dauerleihgabe in der Albertina befindet.
„Woman Power“, 1979, Hauptwerk aus Maria Lassnigs New Yorker Zeit, gehört zur Sammlung Essl, die sich als Dauerleihgabe in der Albertina befindet. (c) Albertina/Sammlung Essl
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Drei Jahre nach Maria Lassnigs Tod ist ihre Kunst präsent wie nie zuvor. In Florenz eröffnete ihre erste Ausstellung in Italien. Im Brandstätter Verlag erscheint eine minutiöse Aufarbeitung ihres Lebens.

Das Selbstporträt der Malerin als Polster, noch aufrecht, aber schon eingespannt in eine weit geöffnete, böse, kalte Erdäpfelpresse, gemalt 1989, heute als Dauerleihgabe der Sammlung Batliner in der Albertina – dieses Bild sagt so ungefähr alles über Person und Kunst Maria Lassnigs, unser aller mittlerweile vergötterten österreichischen Malerin. Persönlich war sie so schwierig wie künstlerisch grandios. Als Polster in der Presse, als weiblich-weiches Etwas in der männlich-metallischen Zange fühlte sie sich in ständiger Bedrohung – wusste sich aber dennoch unbezwingbar, stellt man sich den Versuch, diesen Polster auf diese Weise bezwingen zu wollen, tatsächlich vor.

Diese Interpretation wäre Lassnig, 2013 mit 94 Jahren verstorben, wahrscheinlich zu feministisch gewesen, sie hätte das Motiv wohl lieber auf ihr widerständiges Künstlertum an sich interpretiert haben wollen. Sage nur niemand jemals Feministin zu ihr! Ihre Wut über die Rahmenbedingungen ihrer ersten Ausstellung in Italien, wo sie 2013 zwar noch den „Goldenen Löwen“ der Biennale Venedig zuerkannt bekam, sonst aber nie präsent war, klang in der Rede des Kurators Wolfgang Drechsler zumindest nach, als er vergangenen Freitag im Palazzo Pitti in Florenz einführende Worte zu der kleinen, feinen, aus den Beständen der Albertina (Sammlung Essl, Batliner, Eigenbestand) zusammengestellten Schau sprach: „Sie wollte nie als Künstlerin anerkannt werden. Sondern als bedeutendster Maler Österreichs.“

Feministin ja oder nein?

Das Dilemma: Lassnigs erste Italien-Ausstellung ist der Auftakt zum Frauen-Schwerpunkt des neuen Uffizien-Direktors Eike Schmidt, der daher groß „Woman Power“ auf die mächtige Mauer des Palazzo Pitti plakatieren ließ – der Titel von Lassnigs Hauptwerk aus der New Yorker Zeit, wo sie sich bedrohlich wie King Kong durch Manhattan schreitend zeigt (Abb.). Ein eindeutig feministisches Motiv. Und natürlich war Lassnig auch Feministin, wie konnte sie das nicht sein als Frau mit ihrem Ehrgeiz, mit ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen den männlichen Geniekult. Aber ihr schwante schnell das Ghetto, in dem sie unter diesem Label verschwinden würde – King Kong im Zoo. Nein, durch diese Presse wollte sie nicht gedrückt werden, da war sie stur und eitel wie wenige andere.

Derlei Missverständnisse wie jetzt in Florenz sollten angesichts dermaßen vieler, die Lassnigs Verzweiflung darob noch mehr als ahnen können, eigentlich vermeidbare Kollateralschäden einer versuchten postumen internationalen Würdigung dieser unbequemen Einzelgängerin sein. Die mit Sicherheit zumindest sehr charmant gefunden hätte, dass gewichtige Museumsdirektoren wie Klaus Albrecht Schröder (Albertina), Eike Schmidt (Uffizien) und sogar der eigens angereiste österreichische Kulturminister Thomas Drozda ihr bei dieser Gelegenheit die Ehre erweisen: „Wir sind als Republik stolz auf diese Künstlerin“, eröffnete Drozda offiziell die Ausstellung, die den Italienern diese Malerin anhand 30 ihrer Gemälde von Früh- bis Spätwerk näher bringen soll. Zuträglich dafür sind die kleinen historischen Räume, die eine für Wiener Verhältnisse zumindest ungewohnt intime Begegnung mit diesen intimen Körpergefühls-Bildern nahezu erzwingen (wir sind sie eher in hehren Hallen gewohnt). Ein wenig über die Bildtitel hinausführende Texte hätten dabei allerdings nicht geschadet, gerade für eine Landes-Premiere, man kann sie im Katalog nachlesen.

Lesen ist überhaupt das Stichwort der Stunde für alle, die bisher glaubten, Lassnig zu verstehen. Denn sie verstehen wenig bis nichts im Verhältnis zu einer bisher im Lassnig-Kosmos nicht vorhandenen Frau, Natalie Lettner, die in einer ungeheuer peniblen Recherche mit großer Unterstützung der Lassnig-Stiftung und vieler Interviewpartner die erste umfassende Biografie dieser Jahrhundert-Künstlerin erarbeitet hat. Endlich. ,Das Warten hat sich gelohnt‘ ist eine Phrase, der man in diesem Fall nicht entkommt.

Auf rund 350 Seiten kann man ab 3. April in so verständlichem, prinzipiell sympathisierendem, trotzdem aber immer auch distanziertem Ton alles nachlesen von frühester Kindheit, über ihre Einsamkeit bis zu ihren immerwährenden Selbstzweifeln. Auch scheint hier das letzte Wort gesprochen zu ihren Nazi-Stipendien während ihrer Zeit an der Akademie: Lassnig sei angepasst, ehrgeizig und hochbegabt gewesen, habe sich für Politik aber nicht interessiert. Am Ende habe sie sich stilistisch von ihren NS-Professoren Dachauer und Andri nicht einschränken lassen. Als „entartet“ flog sie dennoch nicht von der Akademie, wie in Porträts über sie behauptet wurde. Anzulasten sei ihr dabei aber höchstens, so Lettner, dass sie diesen „Fehldeutungen“ nicht vehement widersprach.

Vielleicht hätte sie auch der Florentiner Frauen-Schienen-Ausstellung letzten Endes nicht vehement widersprochen. Schließlich war es ein Auftritt im Palazzo Pitti, zwei Stockwerke über den Alten Meistern, die sie verehrte. Ungetrübtere Freude aber wäre für sie die nächste anstehende Ausstellung gewesen, die parallel zum Beginn der „documenta 14“ am 7. Mai in Athen eröffnet wird: Ihr Freund und Starkurator Hans-Ulrich Obrist zeigt dort im Städtischen Museum ihre Werke mit Antiken-Bezug. Eine Schau, die eigentlich im Wiener 21er-Haus beginnen hätte sollen, im letzten Moment aber nicht zustande kam. Alle Verbleibenden, in Wien und auf Erden, können sich ab 5. Mai in der Albertina trösten: Erstmals in Wien wird hier umfassend Lassnigs ungewöhnlich eigenständiges grafisches Werk gewürdigt.

BUCH, AUSSTELLUNGEN

Natalie Lettners Lassnig-Biografie erscheint am 3. April im Brandstätter Verlag. 400 S., 29,90 Euro.

Ausstellungen: „Woman Power“, Palazzo Pitti, Florenz, bis 25. Juni. „Zwiegespräche“ ab 5. Mai, Albertina. „The Future is Invented with Fragments from the Past“, ab 7. Mai, Municipal Gallery of Athens. „Maria Lassnig“, bis 21. Mai, Museum Folkwang. 2019 ist eine Retrospektive zum 100. Geburtstag geplant, die vom Stedelijk Amsterdam aus auch in die Albertina reisen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2017)

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