Regierungschefin nach Gusto Pekings ernannt. Demonstranten beklagten „Wahlschwindel“ und forderten freie Wahlen.
Hongkong. Überschattet von Protesten hat in Hongkong ein Peking-freundliches Wahlkomitee die bisherige Verwaltungschefin, Carrie Lam, zur neuen Regierungschefin der Sonderverwaltungsregion Chinas gemacht. Die Wunschkandidatin Pekings erhielt am Sonntag mit mehr als 600 Stimmen erwartungsgemäß die erforderliche Mehrheit, wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Xinhua verkündete das Ergebnis noch während die öffentliche Auszählung lief und die endgültigen Zahlen noch nicht einmal amtlich vorgelegt waren.
Obwohl ihr Gegenkandidat, John Tsang, in der Bevölkerung beliebter ist, erhob das mehrheitlich pekingfreundliche Komitee die 59-Jährige an die Spitze der britischen Ex-Kronkolonie. Demonstranten beklagten „Wahlschwindel“ und forderten freie Wahlen. Immerhin gab Lam, die aus armen Verhältnissen stammt, zu, dass sich in der Metropole „viel Frust“ aufgestaut habe. Sie werde versuchen, diese gesellschaftliche Spaltung zu überwinden.
Unruhen befürchtet
Während der Wahl im Kongresszentrum kam es zu Protesten. Hunderte Menschen durchbrachen eine Polizeisperre, wurden aber von einer Kette von Sicherheitskräften aufgehalten. Es gab heftige Gerangel. Viele der sieben Millionen Hongkonger sind enttäuscht, dass ihnen die KP-Führung in Peking ungeachtet früherer Versprechen weiterhin keine freie Wahl erlaubt. So besetzten 1194 Mitglieder der Wirtschaftselite und anderer Interessengruppen, die von guten Beziehungen zu China profitieren, das Wahlgremium und folgten wieder mehrheitlich den Vorgaben aus Peking, das übrigens 900 dieser Wahlleute direkt bestimmt.
Kritiker befürchten neue Spannungen in Hongkong. Mit dem Ruf nach mehr Demokratie hatte die „Regenschirm-Bewegung“ 2014 Teile der Wirtschafts- und Finanzmetropole wochenlang lahmgelegt. (dpa)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2017)