Rumänien: Machtspiele am Rande des Abgrunds

Präsident Traian Basescu.
Präsident Traian Basescu.(c) AP (Vadim Ghirda)
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Wie ein starrsinniger Präsident sein Land mitten in der Rezession politisch lähmt. Auch wenn ganz Rumänien derzeit über den innenpolitischen Hickhack spricht: Eigentlich hat das Land auch noch andere Sorgen.

Bukarest. Wenn der Abgeordnete Varujan Pambuccian von seinem Büro in den Sitzungssaal des rumänischen Parlaments gelangen will, muss er ganz schön weit laufen. „Ich würde lieber in einem Bürohaus arbeiten“, sagt er und macht sich auf den Weg in Europas größtem Gebäude, dem Bukarester „Parlamentspalast“. Pambuccian geht lange, düstere Korridore entlang, fährt mit Aufzügen, die von Liftwärterinnen bedient werden, steigt Treppen aus weißem Marmor hinab.

Das rumänische Parlament hat, ebenso wie die zweite Kammer, der Senat, seinen Sitz in jenem gigantischen Gebäude, das der kommunistische Staatschef Nicolae Ceausescu 1984 erbauen ließ. Ein Klotz aus Beton auf 33.000 Quadratmetern, längst nicht nur mehr Sinnbild für den Größenwahn des einstigen Conducators; für viele steht das heutige Parlament unter dem Verdacht, eine ineffiziente, bürokratische Maschinerie zu sein: zwei fast idente Kammern, in denen 471 Abgeordnete sitzen, die vor allem Verordnungen der Regierung absegnen.

Spricht man Pambuccian, der als Vertreter der Minderheiten im Parlament sitzt, auf Präsident Traian Basescu an, verfinstert sich sein Gesicht. Der sei ein „Populist“, so Pambuccian, der zu jener Mehrheit der Abgeordneten gehört, die dem Präsidenten heute, Mittwoch, einen Denkzettel verpassen will: Da stimmt das Parlament über die neue Regierung des unabhängigen Notenbankers Lucian Croitoru ab – Basescus Wunschkandidat; die Ablehnung von Croitorus Kabinett durch die Opposition ist so gut wie sicher.

Eine neue parlamentarische Mehrheit aus so ungleichen Partnern wie den Nationalliberalen, Sozialdemokraten, Konservativen und Minderheitenvertretern hat sich gegen den hemdsärmeligen Präsidenten formiert. Der wiederum macht lautstark mit einem Referendum gegen das Parlament Stimmung, das er zeitgleich zur Präsidentenwahl am 22.November angesetzt hat: „Was sie befürchten, bleibt ihnen nicht erspart“, droht ein grinsender Präsident auf den Plakaten, die großflächig in Bukarests Straßen affichiert sind. Geht es nach Basescu, sollen die Sitze der Parlamentarier auf 300 gekürzt, beide Kammern zu einer verschmolzen werden.

IWF-Darlehen auf dem Spiel

Auch wenn ganz Rumänien derzeit über den innenpolitischen Hickhack spricht: Eigentlich hat das Land auch noch andere Sorgen. Rumänien ist tief in die wirtschaftliche Rezession geschlittert. Noch dazu stehen Finanzhilfen vom Internationalen Währungsfonds, der dem südosteuropäischen Land im März ein Darlehen von fast 20 Milliarden Euro gewährt hat, auf dem Spiel. 1,56 Milliarden Euro sollen im Dezember ausbezahlt werden – vorausgesetzt, die Regierung verabschiedet das Budget für 2010. Das ist derzeit nicht möglich.

Auch mit der Pensionsreform und den vom IWF geforderten Finanzkürzungen im öffentlichen Dienst ist man im Verzug. Neun Prozent seines BIPs gibt Rumänien für seinen öffentlichen Dienst aus, in der EU sind es im Durchschnitt fünf Prozent. „Da läuft etwas falsch“, sagt Florin Pogonaru, Vorsitzender der rumänischen Vereinigung der Geschäftsleute. Er hofft, dass sich der Präsident und das Parlament doch noch auf einen Kandidaten einigen – um Neuwahlen zu vermeiden. „Wieder Wahlen – das wäre wirklich ein Desaster.“

Doch Pogonarus Horrorvision ist in Reichweite: Nach der Ablehnung des ersten Kandidaten hat der Präsident ein erneutes Vorschlagsrecht. Er hat angekündigt, diesmal einen Kandidaten aus den Reihen der ihm nahestehenden Liberaldemokraten nominieren zu wollen. Sollte der wieder abgelehnt werden, ist der Weg frei für Neuwahlen.

In Rumänien erwartet man vom Präsidenten traditionell eine selbstbewusste Performance. Nachgeben gehört nicht zur politischen Kultur. Doch Basescus Starrsinn könnte bei den Wählern auch nach hinten losgehen. In Umfragen liegt er nur noch knapp vor seinem sozialistischen Widersacher, Mircea Geoana, und dem Kandidaten der Nationalliberalen, Crin Antonescu. Sollte es zur – von vielen erwarteten – Stichwahl zwischen Basescu und dem Sozialisten Geoana kommen, werde er sich der Stimme enthalten, sagt ein junger Mann in einem Bukarester Café. „Es ist nicht mehr klar, wer von beiden das kleinere Übel ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2009)

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