Brexit trifft Europas Flugverkehr

Ryanair-Chef Michael O'Leary versteht keinen Spaß, wenn es um die Folgen des Brexit geht.
Ryanair-Chef Michael O'Leary versteht keinen Spaß, wenn es um die Folgen des Brexit geht. (c) REUTERS (Max Rossi)
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Mit dem Austritt aus der EU werden die Rechtsgrundlagen ungültig. Die Ryanair fordert rascheste Verhandlungen und Sonderrechte, andernfalls will sie Flüge über Monate aussetzen.

London/Wien. Was er von Regierungen und deren Regulierungswut hält, hat der für markige Sprüche bekannte Chef der Ryanair nicht nur einmal gesagt. „Europa ist die Heimat dummer Regulierungen“, donnerte Michael O'Leary etwa beim europäischen Luftfahrt-Gipfel im Vorjahr. Jetzt hat er neue „Feinde“: die Briten, konkret jene Mehrheit der Inselbewohner, die für den Brexit gestimmt hat. Das Votum sei die „dümmste Entscheidung“, wettert O'Leary mit dem Hinweis, dass man den Menschen versprochen habe, es werde sich trotz des Austritts Großbritanniens aus dem Binnenmarkt nichts ändern.

Mitnichten: die Airlines – und auch die Flughäfen – gehören zu den großen Brexit-Verlierern. Ihnen droht nicht nur ein massiver Rückgang der Passagierzahlen wegen der Schwäche des britischen Pfunds, sondern auch der Verlust wichtiger Verkehrsrechte. Das geht an die Substanz.

Profiteure des Binnenmarkts

Die Ryanair, nach Passagierzahlen die größte Fluglinie Europas, ist zwar irisch. Aber mit 35 Prozent der Flüge ist das Königreich der größte Markt. Beim britischen Konkurrenten Easyjet machen Verbindungen innerhalb der EU ein Viertel des Geschäfts aus. Wie kaum andere Firmen haben sie von den Vorzügen des Binnenmarktes profitiert. Und für den Platzhirschen British Airways sind die Flüge zwischen London und New York elementar, deren Basis das Open-Skies-Abkommen zwischen der EU und den USA ist.

Die Luftfahrtindustrie drängt daher auf schnelle Verhandlungen mit Brüssel. Denn auch nach der offiziellen Anmeldung des EU-Austritts ist vieles unklar. Die rechtlichen Grundlagen des Flugverkehrs zwischen der Insel und der EU drohen obsolet zu werden. Das stellt die Airlines vor gewaltige Umbrüche, wollen sie weiter global agieren. Immerhin fliegen 49 Prozent der britischen Reisenden in die EU.

Der Weltluftfahrtverband IATA hat Brexit-Szenarien durchgespielt: Ein harter Schnitt würde 2035 rund 20 Millionen Passagiere weniger bedeuten. Bei einem sanften Ausstieg rechnet die IATA mit einem Passagierplus von 2,2 Prozent, weltweit werden langfristig über fünf Prozent angenommen.

Die Ryanair hat gewohnt lautstark die Alarmglocke geschlagen und schnellstmögliche Verhandlungen über ein bilaterales Luftverkehrsabkommen mit der EU verlangt. Und O'Leary scheute sich nicht, schwere Geschütze aufzufahren: „Dann gibt es halt ab März 2019 für ein paar Wochen oder Monate gar keine Flüge zwischen Großbritannien und der EU.“ Der Druck ist nicht unberechtigt, denn Flugpläne werden zumindest ein Jahr im Voraus festgelegt. Das heißt, die Branche braucht in einem Jahr Klarheit, um für 2019 planen zu können. Lange Verhandlungen sind da Gift.

Übersiedeln in die EU

Derzeit kann jede EU-Airline in jedes Mitgliedsland fliegen und auch Inlandsverbindungen anbieten. Basis ist das Regelwerk European Common Aviation Area (ECAA), jeder der 28 EU-Staaten ist Mitglied. Bei einem Rückzug würde Großbritannien aus dem ECAA fliegen. Eine mögliche Wiederaufnahme würde voraussetzen, dass die Briten Urteile des Europäischen Gerichtshofs anerkennen. Das will Premierministerin Theresa May vermeiden. Die Alternative ist ein bilateraler Vertrag mit der EU. Variante drei: neue Vereinbarungen mit jedem einzelnen der 27 EU-Länder – ein schwieriges und langwieriges Unterfangen.

Die Ryanair hat gleich nach dem Brexit-Votum neue Flugzeuge nur in Deutschland und anderen kontinentalen Staaten stationiert. Großbritannien als bisher wichtigster Einzelmarkt mit 19 Flughäfen, 3000 Beschäftigten und 44 Millionen Kunden erhält heuer kein einziges zusätzliches Flugzeug. Easyjet-Chefin Carolyn McCall kündigte an, einen Flugbetrieb in der EU gründen zu wollen. Dafür kommt auch Österreich in Frage. Hochrangige EU-Beamte haben laut dem „Guardian“ britische Airlines bereits vorbereitet, dass sie ab 2019 innereuropäische Flüge nur noch anbieten können, wenn sie ihren Sitz in die EU verlagern und mehrheitlich EU-Aktionären gehören.

Eine Sonderbehandlung, wie sie die britische Luftfahrt wünscht, dürfte es nicht geben. das würde auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr nicht goutieren. Schließlich könnte die eigene Billig-Tochter Eurowings von den Schwierigkeiten profitieren. (eid/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2017)

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