Der König tanzt, die Witwe singt

Anja Harteros. Die Staatsopern-Diva singt in Grafenegg Alban Berg, Richard Strauss.
Anja Harteros. Die Staatsopern-Diva singt in Grafenegg Alban Berg, Richard Strauss.Festival Grafenegg (Markus Tedeskino)
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Harnoncourts Erbe und die "Zauberflöte", ein Streifzug durchs Musikprogramm im Sommer.

Wer sich gefragt hat, was die Styriarte ohne ihre Zentralsonne Nikolaus Harnoncourt nun anfangen würde, erlebt heuer ihre Neuerfindung unter dem Titel "Tanz des Lebens". Den Auftakt bildet "Le Roi danse" nach dem gleichnamigen Film, Schloss Eggenberg wird dabei kurzerhand in Versailles verwandelt. Die Neue Hofkapelle Graz musiziert Werke, die auch am Hof des Sonnenkönigs gespielt wurden und zu denen man auch getanzt hat. Damit ist am 28. und 29. Juni das Terrain abgesteckt. Bei der Styriarte tanzen aber nicht nur Ballerinen, sondern auch Pferde. Die barocken Rossballette feiern ein Comeback: In Salzburg verwandelte man Mozarts "Requiem" in eine Kavalkade, auf Schloss Schielleiten steht eine Pferde-Choreografie im Mittelpunkt der Aufführung von "La Margarita", jener Oper, die zur Hochzeit Kaiser Leopolds I. 1667 in Wien produziert wurde, und die von Thomas Höft unter der musikalischen Leitung von Michael Hell neu inszeniert wird. Der Regisseur führt die Gäste auch als Haushofmeister durchs künstlerische Geschehen. Die Styriarte wandert damit Richtung Wien Besucher aus der Bundeshauptstadt haben nur noch den halben Anfahrtsweg.

Soaps. Im Übrigen tanzt man beim steirischen Fest (mehrheitlich in der Grazer Helmut-List-Halle) nach allen Regeln der Kunst und zu allen melodischen und rhythmischen Finessen, ob zu den Klezmerklängen von Giora Feidman (27. Juni) oder zum Walzerprogramm Bernd Glemsers (29. Juni), ob zu Südsee-Folklore (30. Juni) oder Derwisch-Delirien (7. Juli). Tango (8. Juli) fehlt so wenig wie diverse vom Publikum gern gesehene Styriarte-Soaps: Deren Spannweite reicht von "Ginger & Fred" (25. Juni) über die Ballettmusiken des Jahresregenten Georg Philipp Telemann (9. Juli) bis zu einem Hausball bei Mozart (19. Juli) und einer veritablen Schubertiade (23. Juli vormittags im Schloss Gamlitz). Das Gedenken an Harnoncourt zelebriert man freilich ab sofort im Attergau. Das Orchester des 2016 verstorbenen Meisters, der Concentus musicus, findet sich am 5. Mai in der Pfarrkirche von Sankt Georgen zum Gedenkkonzert ein, mit dem ein kleines Festival anhebt, das Mechthild Bar-tolomey in Übereinkunft mit Harnoncourts Familie programmiert hat. Am 6. Mai bitten Mitglieder der Wiener Philharmoniker zur Matinee, nachmittags findet ein Gespräch von Franz Harnoncourt und Jürgen Flimm statt, der viele musiktheatralische Projekte mit Harnoncourt verwirklicht hat. Und am 7. Mai zelebriert der Bruder des Dirigenten, Philipp Harnoncourt, um 11 Uhr eine Festmesse, die von den "Singfonikern" mit Bruckner-Motetten musikalisch umrahmt wird. Verzaubern lassen darf man sich zu Pfingsten in Salzburg vom Ballettklassiker "La Sylphide". Intendantin Cecilia Bartoli singt in Händels "Ariodante" und in Rossinis "La donna del lago", Anne-Sophie Mutter spielt Schubert und Vivaldi.

Liviu Holender. Geistliches gibt es zur Sommerzeit im Norden des Landes, in Retz, wo man am 7. Juli in der Stadtpfarrkirche mit Händels Schwanengesang "Jephtha" eröffnet, aber auch mit der Nachbarstadt Znaim eine Festspielpartnerschaft eingegangen ist. So kann man aus Retz mit dem Bus am 9. Juli zu einer Aufführung von Mozarts "Don Giovanni" mit Adam Plachetka nach Znaim fahren womit nicht nur das Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper in einer Paraderolle seiner Heimat näher rückt, sondern auch historisch der rechte Bogen gezogen wird: Auch ein Mozart-Verehrer der ersten Stunde musste anno 1787 ja nach Prag pilgern, wenn er die Uraufführung des "Giovanni" erleben wollte... Apropos Mozart: Gars am Kamp lockt heuer mit einer neuen "Zauberflöte", die unter der Stabführung von Johannes Wildner das Debüt von Liviu Holender als Papageno bringt auch das ein Anklang an historische Begebnisse; war doch Emanuel Schikaneder, der erste Papageno und Textdichter der "Zauberflöte", Darsteller und Impresario in einer Person, der neue Papageno ist immerhin der Sohn des bisher längstdienenden aller Wiener Operndirektoren.

"Vogelhändler". Unter freiem Himmel singt man in Mörbisch wieder Operette heuer steht der "Vogelhändler" auf dem Programm, aber auch Oper, etwa in Klosterneuburg. Dort widmet man sich einer der turbulentesten der turbulenten Musikkomödien Rossinis, dem "Grafen von Ory". Unter der Leitung von Christoph Campestrini sind wieder einige Wiener-Staatsopern-Lieblinge singend auf Sommerfrische: Daniela Fally, eine treue Klosterneuburgerin, gibt die Comtesse Ad le, Margarita Gritskova ist als Isolier angesetzt. Regie führt Francois de Carpentries. Premiere ist am 8. Juli. Ans andere Donauufer wechseln Musikfreunde seit mehr als zehn Jahren gegen Ende des Sommers, wenn Rudolf Buchbinder zum Musikfest von Grafenegg bittet. Auch im herrlichen Schlosspark kann man, wenn das Wetter günstig ist, Klassik unter freiem Himmel genießen. Im Wolkenturm gastieren wieder Orchester aus aller Welt. Daniela Fally ist mit Kollegen wie Adrian Eröd, Michael König und Alberg Dohmen auch bei der Grafenegger Eröffnung am 18. August mit von der Partie, wenn Carl Maria von Webers "Freischütz" eine konzertante Aufführung erlebt, durch die Otto Schenk als Erzähler führen wird.

Ischl. In der Folge musizieren nebst Hausherrn Buchbinder die großen Symphonieorchester und Philharmoniker aus Sankt Petersburg (20. 8.) und Prag (25. 8.), Pittsburgh (mit Matthias Goerne unter Manfred Honeck am 31. 8.) und München (Daniil Trifonov und Valery Gergiev am 7. 9.), London (unter Semyon Bychkov mit Janine Jansen bzw. Rudolf Buchbinder am 9./10. 9.). Solistisch konzertieren in Grafenegg Waltraud Meier (2. September) und Anja Harteros (10. September, Matinee). Zum Abschluss Heiteres: Das Leh r-Festival in Bad Ischl übernimmt Thomas Enzinger von Michael Lakner, der nach Baden gewechselt, aber heuer noch für das Programm in Ischl verantwortlich ist. Gespielt wird "Die lustige Witwe" mit Regina Riel als Hanna Glawari (ab 15. 7.), Leonard Prinsloo inszeniert, Dirigent ist L szl Gyük r. Am 22. Juli folgt "Saison in Salzburg" von Fred Raymond, am 12. August K lm ns "Kaiserin Josephine".

Tipp

Mehr Musik. Das Kammermusikfestival in Lockenhaus unter Nicolas Altstaedt steht im Zeichen von Chronos und Kairos, 6. bis 15. Juli
www.kammermusikfest.at

Haydn-Tage. Eisenstadt von 24. 8. bis 3. 9.
Liszt-Festival Raiding. 21. bis 25. Juni, 18. bis 22. 10.

("Kultur Magazin", Print-Ausgabe, 14.4.2017)

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