Technologie

„Das wird die Welt verändern“

BK KERN IN ISRAEL: BESUCH DER Kern und der Chef des israelischen Vorzeige-Start-ups Mobileye, Ziv Aviram, machten eine Spritztour über Jerusalems Autobahn – später ohne Hand am Steuer.
BK KERN IN ISRAEL: BESUCH DER Kern und der Chef des israelischen Vorzeige-Start-ups Mobileye, Ziv Aviram, machten eine Spritztour über Jerusalems Autobahn – später ohne Hand am Steuer.(c) APA/BKA/ANDY WENZEL
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Kanzler Kern warf in Jerusalem einen Blick in die Zukunft. Er war in einem selbstfahrenden Auto unterwegs und ließ sich die Erfolgsgeschichte von Mobileye erklären.

Israel. Die Spritztour in die Zukunft endet in einer Garage in Jerusalem. Christian Kern entsteigt einem weißen selbstfahrenden Audi. Ziv Aviram, Chef des israelischen Technologieunternehmens Mobileye, hat den Bundeskanzler zu einer Probefahrt eingeladen und auf der Stadtautobahn die Hände vom Lenkrad genommen.

Kern ist überzeugt: Die neue Technik wird sich durchsetzen. Ziv Aviram sieht schon Millionen selbstfahrender Autos und Lkw vor seinem geistigen Auge. „Das wird die Welt verändern“, glaubt er und nennt die Vorteile: Kaum noch Unfälle und Autobesitzer, nur noch halb so viele Vehikel, eine Neuverteilung der Bevölkerung.

Scheidung von Tesla

Mobileye ist die wohl funkelndste Erfolgsgeschichte in Israels Start-up-Szene. Der US-Konzern Intel hat die Softwarefirma unlängst für 15 Milliarden Dollar gekauft. 95 Prozent aller Autofirmen arbeiten mit Mobileye zusammen, nur Mercedes und Toyota nicht. Auch Tesla hat die Kooperation nach einem Unfalltod mit einem selbstfahrenden Fahrzeug beendet. Darüber spricht Ziv Aviram nicht so gern. „Unsere Vision, ihre Sicherheit“, lautet das Motto von Mobileye. Der Aufstieg begann mit der Frage eines Studenten: Wie viele Kameras wären notwendig, um ein Auto sicher zu machen? Eine reiche, meinte Amnon Shashua, Professor an der Hebrew University, und fuhr mit dem Vortrag fort. Nach der Vorlesung bat ihn ein Automobilkonzern, ein Konzept vorzulegen, und steckte 250.000 Euro in das Projekt. Ein halbes Jahr später gründeten Shashua und Ziv Aviram das Unternehmen.

Die Kamera in ihren Fahrassistenzsystemen fungiert als Wahrnehmungsorgan. Acht Kameras sind für den Rundumblick am Fahrzeug angebracht. Der Weg vom künstlichen Auge zur automatischen Bremse war nicht weit. Die Kamera erkennt den freien Weg. Taucht ein Hindernis auf, wird die Bremse aktiviert. Doch um die Vision selbstfahrender Autos umzusetzen, fehlte ein wesentliches Element: eine umfassende digitale Landkarte.

Mobileye setzt dabei nicht auf Google-Autos, die filmend durch die Welt fahren, sondern auf eine Echtzeitkarte. Alle Teilnehmer, die mit Mobileye-Kameras unterwegs sind, senden ihre Daten in Clouds. So werden Veränderungen auf den Straßen permanent neu aufgenommen. In Israel laufen bereits Pilotprojekte für selbstfahrende Autos, mit BMW hat Mobileye ein Abkommen, das 2021 Gestalt annehmen soll, samt Probeverkehrszonen in Deutschland.

Drohende Veränderung

Die Veränderung könnte schnell kommen – mit allen Folgen. In Österreich seien 300.000 Menschen in der Automobilindustrie beschäftigt, weiß Kern, in einem Wirtschaftszweig, in dem laut Fraunhofer-Institut in den kommenden 20 Jahren die Hälfte der Arbeitsplätze verloren gehen soll. Auch die Versicherungsindustrie könnte stark betroffen sein, Autopolizzen machen einen Großteil des Geschäfts aus, das in der unfallfreien Welt wegfiele. „Wir müssen der Veränderung voraus sein“, meint Kern und verweist auf Bemühungen von Steyr, Elektronutzfahrzeuge herzustellen.

Kern will der österreichischen Gründerszene nach Vorbild Israels neue Impulse verleihen. Die Frühphase funktioniere gut, doch es fehle ab einer gewissen Größe an Risikokapital. Ihm schwebt vor, dass Versicherungen künftig stärker in Jungunternehmen investieren. Zvi Aviram unterstreicht noch andere Erfolgsfaktoren für israelische Start-ups. In Jerusalem müsse sein Unternehmen nur acht Prozent Steuern zahlen. Am wesentlichsten sei jedoch die Mentalitätsfrage: Scheitern sei erlaubt.

Österreichs Stärken sieht Kern in der traditionellen Industrie, der Mikroelektronik und Umwelttechnik. Mittags besuchte er ein Bauprojekt der Strabag-Tochter Züblin im Landesinneren. Sie bohrt einen 13,5-Kilometer-Tunnel, durch den künftig entsalztes Meerwasser nach Jerusalem gepumpt wird. Ein Herzeigeprojekt, eines von nicht allzu vielen. Der Handel mit Österreich ist ausbaufähig. Im Vorjahr sanken die österreichischen Exporte um drei Prozent auf 484 Millionen. Da wäre noch einiges drin.

Mit Österreich arbeitet Mobileye schon zusammen. Die Firma unterzeichnete vor Kurzem ein Kooperationsabkommen mit Verkehrsminister Jörg Leichtfried: Busse und Lkw sollen mit Sicherheitskameras ausgestattet werden, um Unfälle zu vermeiden. In nicht allzu ferner Zukunft könnten sie dann auch selbstfahrend unterwegs sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2017)

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