Die Zinsen bleiben noch lange auf dem Boden

Symbolbild Italien.
Symbolbild Italien. (c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Die EZB hat jetzt Italien im Fokus - und reagiert deshalb nicht auf das Beinahe-Erreichen ihres Inflationsziels.

Die Wirtschaft kommt zumindest in den wichtigsten Ländern der Eurozone immer besser in Fahrt, entsprechend nimmt auch die Inflation Tempo auf. Zuletzt wurde von Eurostat für die gesamte Eurozone eine Teuerungsrate (harmonisierter Verbraucherpreisindex) von 1,9 Prozent ermittelt.

Damit wäre das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (zwei Prozent oder knapp darunter) de facto erreicht. Es wären also alle Voraussetzungen gegeben, dass die Euro-Notenbank ihre expansive Geldpolitik zurückfährt und mit einer Normalisierung des Zinsniveaus beginnt. Zumal die anhaltende Nullzinspolitik ja bereits erste Verwerfungen (etwa Immobilienblasen in einigen Städten) verursacht und die Notenbank bereits Staatsanleihen im Ausmaß von mehr als einem Viertel des Eurozonen-BIPs im Bestand hat.

Es wäre also Zeit zu handeln. Dass dies am vergangenen Donnerstag noch nicht geschehen ist, war klar: Niemand hat angenommen, dass die Euro-Notenbank vor der französischen Präsidenten-Stichwahl irgendetwas unternimmt. Unterdessen wird aber klar, dass auch danach nichts geschehen wird.

Der Grund: Die Euro-Notenbank ist zwar formell noch immer strikt auf das vorgegebene Inflationsziel ausgerichtet, in der Praxis hat sie aber eine politische Agenda übernommen. Nämlich die Rettung der Eurozone. Da gibt es ja einige Wackelkandidaten, die durch eine Anhebung der Leitzinsen (und damit ihrer Zinsenzahlungen für die Staatsschuld) in ernste Schwierigkeiten geraten würden.

Ein großes Problem ist dabei, dass jetzt nicht mehr vergleichsweise kleine Volkswirtschaften am Wackeln sind, sondern dass mit Italien eine der großen Volkswirtschaften der Eurozone in die Problemzone geschlittert ist. Ein explosiver Mix aus extrem hoher Staatsverschuldung, ungelösten strukturellen Problemen und einem in schweren Turbulenzen steckenden Bankensektor macht das Land zum Sprengsatz für den gesamten Euroraum.

Der Notenbank ist die Entschärfung der Lage in Italien unterdessen offenbar wichtiger als ihr Inflationsziel. Wir werden hier in Europa also trotz langsam in Schwung kommender Wirtschaft noch länger mit sehr niedrigen Zinsen leben. Ein Horror für Sparer und Anleger, die Zinspapiere im Portfolio haben.

Billig bleiben dagegen Kredite. Und das ist das nächste Problem: Die jetzt anspringende Kreditnachfrage erhöht nämlich die Geldmenge – und das signalisiert durchaus höhere Inflationsgefahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2017)

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