US-China-Gipfel: „Wir wollen Chinas Aufstieg nicht eindämmen“

(c) AP (Charles Dharapak)
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US-Präsident Barack Obama traf im modernen technischen Museum von Shanghai auf sorgsam ausgewählte Studenten. Mitverfolgen konnte die Debatte kaum irgendjemand, sie wurde nicht im TV übertragen.

Peking. Ein „Town hall meeting“ ist ein wichtiger Teil des politischen Alltags in Amerika. Die Politiker sprechen direkt mit Bürgern und beantworten ihre Fragen. Solch eine Begegnung hatten die Strategen des Weißen Hauses im Sinn, als sie die China-Reise von US-Präsident Barack Obama planten. Ein Stück demokratischer Tradition wollten sie über den Pazifik tragen.

Das allerdings sahen die Gastgeber nicht so gern. Und so wird das „Town hall Meeting“ mit chinesischen Studenten im Konferenzsaal des Shanghaier Museums für Wissenschaft und Technik zum Lehrstück für das Misstrauen der chinesischen Regierung gegenüber den Absichten ihres amerikanischen Gastes.

Menschenrechte eingemahnt

Bis zuletzt haben die Diplomaten beider Länder darüber gerungen, wie offen und spontan das Gespräch werden soll – und wie viele Menschen an ihren Fernsehschirmen die Veranstaltung live verfolgen dürfen.

Als Obama gestern kurz nach ein Uhr mittags den Raum betritt, in dem rund 500junge Leute auf ihn warten, wird schnell klar: Nur eine winzige Minderheit der Chinesen kann Zeuge des Obama-Auftritts werden. Keine der großen chinesischen Fernsehstationen zeigt das Treffen live. Ein Shanghaier Lokalsender ist nur am Anfang dabei.

Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua gibt im Internet den Wortlaut der Begegnung wieder, Bilder zeigt sie nicht. Wer eine gute Internetverbindung hat und findig ist, kann aber die Übertragung auf der Webseite des Weißen Hauses sehen.

Zu groß ist die Angst der Zensoren, dass Obama Dinge sagen könnte, die Pekings Politiker ihrem Volk nicht zumuten wollen. Sein Vorgänger Bill Clinton durfte 1998 noch vor laufenden Kameras reden.

Die Gastgeber hätten sich nicht so viele Sorgen machen müssen: Zurückhaltend, diplomatisch und freundlich beantwortet Obama die Fragen der Studenten. Der Präsident will bei seinem ersten China-Besuch gut Wetter machen, die USA als freundliche und partnerschaftliche Macht präsentieren und vor allem nicht die Atmosphäre vor den Treffen mit der Führung in Peking am Dienstag und Mittwoch trüben.

Obama preist China und seine alte Kultur – „Ich bin begeistert darüber, dieses erhabene Land zu sehen“ – und betont, wie notwendig es sei, gut zusammenzuarbeiten; sei es in der Wirtschaft oder beim Kampf gegen den Klimawandel. „Wir wollen China nicht an seinem Aufstieg hindern“, versichert er.

Eine weitere Botschaft wird er gleich bei seinen Begrüßungsworten los: Amerika wolle China nicht sein politisches System aufzwingen, aber: „Freiheit der Meinung, der Religion, des Zugangs zu Informationen und politische Teilhabe – wir glauben, dass sie universell gültige Rechte sind. Alle Menschen sollten sie besitzen, einschließlich ethnischer und religiöser Minderheiten, in den USA, in China oder in jeder anderen Nation.“

Das junge Publikum ist sorgfältig ausgesucht, adrett gekleidet, höflich und spricht gutes Englisch. Obama selbst pickt die Fragesteller heraus. Wie chinesische Blogger schnell entdecken, sind die ersten beiden Funktionäre im kommunistischen Jugendverband der renommierten Universitäten Fudan und Tongji.

Twitter und Internetzensur

Obama ruft seinen eigenen Botschafter, Jon Huntsman, auf, und der stellt die Frage nach der Zensur des Internets: Der Präsident, ganz in seinem Element, bedauert seine eigene Unfähigkeit, zu twittern – weil seine Daumen „zu unbeholfen“ seien, um auf den kleinen Tasten zu tippen.

Dann kleidet er seine Kritik an den chinesischen Internetblockaden geschickt in allgemeine Formulierungen: „Ich unterstütze den freien Zugang zum Internet und eine Nichtzensur der Inhalte“, sagt er. Durch einen freien Informationsfluss werde eine Gesellschaft nur stärker, so könnten die Bürger eines Landes „auch ihre Regierung zur Verantwortung ziehen“.

Obama berichtet, er selbst habe mithilfe des Internets den Wahlkampf gewonnen – und liefert damit den Zensoren den Beweis, dass die KP guten Grund hat, das Netz zu kontrollieren.

Nach einer Stunde muss Obama weiter, nach Peking. Er schüttelt Hände, aus einem Lautsprecher erklingt „Claire de lune“.

Schnell füllen sich die Internetseiten mit Reaktionen – und die sind überwiegend positiv. Viele, die ihn gesehen haben, loben seine Worte über die universellen Menschenrechte. Andere sind begeistert, dass „Bruder Obama“ bei der Ankunft selbst seinen Regenschirm trug. „Das tun bei uns noch nicht einmal Provinzpolitiker“, so ein Kommentar.

AUF EINEN BLICK

Obamas Terminkalender.
Dienstag, 17.11.: Treffen des US-Präsidenten mit Präsident Hu Jintao. Am Mittwoch steht ein Treffen mit Premier Wen Jiabao auf dem Programm, am Abend fliegt Obama nach Seoul weiter, wo er Präsident Lee Myung-Bak treffen wird. Danach: Besuch von in Südkorea stationierten US-Truppen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2009)

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