21 Terroropfer noch in kritischem Zustand

Die britische Premierministerin Theresa May kündigt eine härtere Gangart gegen den Terror an.
Die britische Premierministerin Theresa May kündigt eine härtere Gangart gegen den Terror an.Reuters
  • Drucken

London wurde erneut Ziel eines Terroranschlages. Bei Attacken auf die London Bridge und den Borough Market wurden sieben Menschen getötet und rund 50 verletzt. Die drei Attentäter sind tot. 12 Menschen wurden verhaftet. Premierministerin May veröffentlichte einen Anti-Terror-Plan.

Als Antwort auf den Terroranschlag in London hat die britische Premierministerin Theresa May Islamisten den Kampf angesagt. Großbritannien habe große Fortschritte in der Terrorbekämpfung gemacht, sagte May nach einer Krisensitzung am Sonntag. Aber es sei höchste Zeit, zu sagen: "Jetzt reicht's." Es müsse allen Menschen möglich sein, ihr Leben normal weiterzuführen. Doch bei der Terrorbekämpfung müsse sich etwas ändern, so die Premierministerin. Die Attentäter von London waren nach den Worten von Innenministerin Amber Rudd wahrscheinlich "radikale islamische Terroristen".

Bei Attacken auf die London Bridge und den Borough Market am Samstagabend hatten Terroristen mindestens sieben Menschen getötet und rund 50 verletzt. 21 Personen befinden sich noch immer in einem kritischen Zustand. Das habe die britische Gesundheitsbehörde NHS am Sonntag mitgeteilt, berichtete die britische Nachrichtenagentur PA. Premierministerin Theresa May kam laut PA zu einem privaten Besuch ins King's College Hospital, um Verletzte zu besuchen und mit dem Personal zu sprechen. Unter den Verletzten sind zwei britische Polizisten und auch mindestens zwei Franzosen, wie es aus dem Präsidentenpalast von Staatspräsident Emmanuel Macron hieß. Ob Österreicher unter den Opfern sind, war zunächst nicht bekannt.

Die Terroristen sollen Zeugenaussagen zufolge bei dem Anschlag gerufen haben: "Dies ist für Allah". Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hatte den Anschlag als Erfolg gefeiert. Sie reklamierte die Tat aber zunächst nicht für sich. May hält trotz der Ereignisse an den für Donnerstag geplanten Parlamentswahlen fest. Der zunächst unterbrochene Wahlkampf werde am Montag wieder aufgenommen, kündigte May am Sonntag nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in London an. Nach einer neuen Erhebung liegen die Konservativen mit 40 Prozent der Stimmen nur noch einen Punkt vor der oppositionellen Labour-Partei mit 39 Prozent.

Im Kampf gegen den Terror hat Premierministerin May einen Vier-Punkte-Plan vorgestellt.

  1. müsse die Strömung islamistischer Ideologie besiegt werden. Die "bösartige Ideologie des islamischen Extremismus" predige Hass, säe Zwist und fördere das Sektierertum. Die Ideologie behaupte, dass westliche Werte wie Frieden und Demokratie nicht mit dem Islam vereinbar seien. "Dies (der islamische Extremismus) ist als Ideologie eine Perversion des Islam und eine Perversion der Wahrheit", betonte die Politikerin.
  2. dürfe das Internet Extremisten keinen Rückzugsort bieten. Vielmehr müsste der virtuelle Raum besser überwacht und reguliert werden, um die Kommunikationswege von Terroristen zu stören. Dazu brauche es internationale Vereinbarungen.
  3. müssten den Terroristen "sichere Räume" in der realen Welt genommen werden. Das bedeute sowohl militärisches Eingreifen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak. Es werde aber auch in Großbritannien selbst eine neue Gangart benötigt. "Es gibt ... zu viel Toleranz für Extremismus in unserem Land", so May. "Wir müssen viel stärker daran arbeiten, ihn (den Extremismus) aus dem öffentlichen Dienst und der Gesellschaft zu vertreiben."
  4. müsse die Anti-Terror-Strategie Großbritanniens überarbeitet werden, damit die Polizei und Sicherheitskräfte alle nötigen Mittel gegen Extremisten in der Hand hätten. Dazu gehörten etwa längere Haftstrafen für Terrorverdächtige.

Polizeirazzia im Wohnhaus eines Attentäters

Nach dem Anschlag in London gehen die Ermittler mittlerweile davon aus, dass es nur drei Täter gegeben hat. Alle drei verdächtigen Männer seien tot, sagte die Londoner Polizeichefin Cressida Dick vor Reportern am Sonntagmorgen. Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag von London sind zwölf Menschen festgenommen worden. Die Zugriffe seien im Osten der britischen Hauptstadt erfolgt, teilte die Polizei in London am Sonntag mit. Außerdem seien noch Hausdurchsuchungen im Gange. Nach Angaben des Senders Sky News durchsuchten schwer bewaffnete Polizisten unter anderem das Haus eines der drei Attentäter. Ein AFP-Fotograf beobachtete, wie vier verschleierte Frauen abgeführt wurden.

Dick geht dennoch davon aus, dass kein Verdächtiger mehr auf der Flucht ist. Allerdings müsse dies noch ganz sichergestellt werden. Die Gegend rund um die Tatorte, London Bridge und Borough Market, werde genau untersucht. Eine Polizeirazzia in einem Gebäude des Bezirks Barking im Osten Londons hat dem Wohnort eines der getöteten Attentäter gegolten. Das berichtete der Sender Sky News am Sonntag.

Chronologie der Ereignisse

Die Attacken begannen am späten Samstagabend auf der London Bridge im Zentrum und setzten sich nach bisherigen Erkenntnissen auf dem nahe gelegenen Borough Market fort. Laut Polizeiangaben fuhr am Samstagabend zunächst ein Lieferwagen auf der London Bridge in eine Gruppe von Fußgängern. Dann seien drei Männer aus dem Fahrzeug gesprungen und hätten bereits verletzte Personen mit Messern attackiert. "Das war wie ein Amoklauf", zitierte die BBC einen Zeugen. Kurz nach dem ersten Zwischenfall auf der London Bridge wurde eine Messerstecherei und Schüsse aus dem nahegelegenen Borough Market gemeldet. Die Täter seien zu Bars und Restaurants in der Umgebung gelaufen und hätten gerufen: "Dies ist für Allah". Der Markt ist eine beliebte Touristenattraktion. Die Polizei sperrte große Areale in der Stadt weiträumig ab. Sie bat die Menschen, nicht leichtfertig Videos und Bilder von den Tatorten in Umlauf zu bringen.

Schwer bewaffnete Polizisten patrouillieren am Sonntag im Bereich um die London Bridge und den Borough Market. Die Londoner Polizei wird als Reaktion auf die Terrorattacken ihre Präsenz in der britischen Hauptstadt in den nächsten Tagen verstärken.
Schwer bewaffnete Polizisten patrouillieren am Sonntag im Bereich um die London Bridge und den Borough Market. Die Londoner Polizei wird als Reaktion auf die Terrorattacken ihre Präsenz in der britischen Hauptstadt in den nächsten Tagen verstärken.Reuters

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) habe den Anschlag als Erfolg gefeiert. Das berichtete die auf die Auswertung jihadistischer Propaganda spezialisierte Site Intelligence Group in der Nacht auf Sonntag unter Berufung auf IS-nahe Medien. Der IS hat den Anschlag bisher nicht offiziell für sich reklamiert. Die Terrorgruppe hatte den Anschlag auf das Popkonzert in Manchester vor zwei Wochen für sich beansprucht. Die Extremisten warnten, dass das, "was als nächstes kommt" noch schlimmere Folgen für "die Anhänger des Kreuzes" haben werde, twitterte die Direktorin der Site-Group, Rita Katz. Sie verwies darauf, dass am Anschlagstag in einer dem IS nahe stehenden Chat-Gruppe Mitglieder aufgefordert worden seien, Zivilisten mit Fahrzeugen, Schusswaffen und Messern zu töten.

Erinnerungen an den 22. März

Die Terrorattacke auf der London Bridge erinnert sehr an einen Angriff im März: Am 22. März war ein 52-jähriger Mann auf der Westminster-Brücke in London mit hohem Tempo in Fußgänger gefahren. Anschließend tötete er mit einem Messer einen unbewaffneten Polizisten. Bei dem Terrorangriff waren sechs Menschen ums Leben gekommen und Dutzende Menschen verletzt worden. Der Attentäter wurde erschossen. Erst vor knapp zwei Wochen hatte der 22-jährige Selbstmordattentäter Salman Abedi nach einem Konzert des Teenie-Stars Ariana Grande in Manchester mit einer Bombe 22 Menschen mit in den Tod gerissen. Bei dem Terroranschlag waren mehr als 100 Personen verletzt worden.

Auf einen Blick

Was wir wissen

  • Um 22.08 Uhr Ortszeit (23.08 MESZ) gehen bei der Polizei erste Notrufe darüber ein, dass ein Wagen auf der London Bridge Fußgänger erfasst hat, wie Anti-Terror-Chef Mark Rowley mitteilte.
  • Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen Lieferwagen. Dieser fährt weiter zum nahe gelegenen Borough Market, einem beliebten Touristenziel. Dort lassen die Angreifer das Auto stehen und beginnen mit Messern auf Menschen einzustechen.
  • Die Polizei stellt drei männliche Tatverdächtige. Diese werden am Borough Market erschossen - acht Minuten nach Eingang des Notrufs.
  • Die Attentäter tragen laut Polizei Westen, die so aussehen, als würden sie Sprengstoff enthalten. Die Westen entpuppen sich später jedoch als harmlose Attrappen.
  • Mindestens sieben Menschen werden von den Angreifern getötet
  • Mindestens 47 Menschen werden verletzt
  • Die Polizei spricht von einem Terroranschlag

Was wir nicht wissen

  • Wer die Opfer sind, ist noch nicht bekannt.
  • Die Hintergründe der Attacke sind unklar. Über die Identität und Herkunft der mutmaßlichen Täter ist bisher nichts bekannt - ebenso, ob es sich um islamistische Terroristen handelt.

(APA/dpa/AFP/Reutes)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Themenbild: Terroranschlag in London
Außenpolitik

London-Terror: Drei weitere Festnahmen

Laut Polizei handelt es sich bei den drei im Osten Londons Festgenommenen um Männer im Alter von 27, 29 und 33 Jahren.
Abgeriegelt: Polizeiforensiker bei ihrer Arbeit entlang der Straße von der London Bridge zum Borough Market, wo am Samstagabend sieben Menschen bei einem Anschlag getötet wurden.
Terror in Großbritannien

London-Attentäter als „Jihadist von nebenan“

Einer der Verdächtigen, Khuram Butt, war in einem Fernsehprogramm über Jihadisten aufgetreten. Der Personalabbau bei der Polizei holt die konservative Regierungschefin nun knapp vor der Wahl ein.
Sadiq Khan bei der Trauerfeier in London nach dem Anschlag von Samstagnacht.
Außenpolitik

Khan: "Habe keine Zeit auf Tweets von Trump zu antworten"

Der Londoner Bürgermeister kritisierte erneut den US-Präsidenten. Trumps Politik gehe gegen alles "wofür wir stehen". Deshalb sei dessen Besuch in London unangemessen.
Die zentrale Moschee von Manchester.
Weltjournal

130 Imame verweigern London-Attentätern das Totengebet

Viele Imame Großbritanniens zeigten sich nach dem jüngsten Attentat "geschockt und abgestoßen". Der britische Rat der Muslime bittet alle religiösen Würdenträger ihrem Vorbild zu folgen.
Außenpolitik

London-Terror: Polizei identifiziert dritten Attentäter

Der 22-Jährige hatte marokkanisch-italienische Wurzeln. Sein 27-jähriger Mitattentäter hatte Kontakt zu hochrangigen Jihadisten und war 2016 Teil einer TV-Dokumentation.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.