Ägyptens "Pharao" in Feierlaune

Ich, der Präsident und Feldmarschall. Ägyptens 1,66 Meter großer starker Mann Abdel Fatah al-Sisi im Kreise der Minister und Berater.
Ich, der Präsident und Feldmarschall. Ägyptens 1,66 Meter großer starker Mann Abdel Fatah al-Sisi im Kreise der Minister und Berater.(c) imago/Xinhua (MENA)
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Präsident al-Sisi segnete das Gesetz zur Kontrolle von NGOs ab. Arabische Regimes wie seines haben wegen der neuen US-Politik und Europas Bedürfnissen freie Hand.

Als Ägypter weiß Abdel Fatah al-Sisi natürlich, was sich gehört, wenn man dem wirklich ganz großen Pascha begegnet: „Sie sind eine einzigartige Persönlichkeit, die fähig ist, das Unmögliche möglich zu machen“, umschmeichelte der 62-Jährige vom Nil vor wenigen Wochen beim US-arabisch-islamischen Gipfel im saudischen Riad den Mann aus dem Weißen Haus, der zuvor seinen ersten traditionellen Schwerttanz hingelegt hatte. Donald Trump taten all das orientalische Gehabe und der Kotau sichtlich gut. „Ich mag Ihre Schuhe, Wahnsinn, solche Schuhe“, retournierte er dem ägyptischen Herrscher und Feldmarschall aufgekratzt.

Seit dem Besuch des US-Präsidenten in Saudiarabien, seinem ersten im Ausland überhaupt, herrscht generell Jubelstimmung unter den arabischen Potentaten. Endlich können sie frei agieren, unbehelligt von lästigen Mahnungen wie zu Zeiten Barack Obamas. So auch Ägyptens al-Sisi. Zwar steht sein Land mit den rund 93 Millionen Einwohnern unter dem Eindruck einer nicht enden wollenden Wirtschaftskrise, Terroranschlägen und der faktischen Sezession großer Teile des Sinai wegen islamistischer Umtriebe. Diplomatischen Gegenwind aber braucht er, der seit Sommer 2014 im Gefolge des Militärputschs im Jahr zuvor gegen die Islamistenregierung Mohammed Mursis amtiert, kaum mehr zu befürchten.

Europa braucht Ägypten

Auch nicht, wenn er heute zum zweiten Mal nach Berlin reist, wo er an der G20-Afrika-Partnerschaftskonferenz teilnimmt. Für den US-Präsidenten ist der Ägypter ein Pfundskerl. Und selbst die gleichermaßen kritische wie moralisch „gute“ Kanzlerin Angela Merkel verfolgt für das Wahljahr in ihrem Land vor allem ein Anliegen: Ägyptens Hilfe bei der Eindämmung des Migrationsstroms.

Und so unterschrieb al-Sisi dieser Tage das lang just wegen deutscher und europäischer Kritik zurückgehaltene NGO-Gesetz; tatsächlich war es ihm im November vorgelegt worden. Durch die neue Regelung werden NGOs der Willkür der Behörden ausgeliefert. Es gibt den Sicherheitsdiensten bei allen Aktivitäten gemeinnütziger Organisationen, gerade solcher aus dem Ausland, das letzte Wort. Politische Arbeit (ein dehnbarer Begriff) ist verboten. Verstöße werden mit Haft oder hohen Geldstrafen geahndet. Bürgerrechtler wie Gamal Eid vom Arabischen Netzwerk für Menschenrechtsinformationen sprechen von einem „Todesstoß für die Zivilgesellschaft“.

Der Sicherheitsapparat führt ein immer entfesselteres Willkürregime. Die Zahl politischer Gefangener hat die 60.000 überschritten, viele sitzen seit Jahren ohne Anklage oder Prozess ein. 7400 Zivilisten wurden seit Oktober 2014 vor Militärgerichte gezerrt, bilanzierte Human Rights Watch am Wochenende in einem Bericht, der schlimme Details über Folter in Militärgefängnissen enthält.

Auslandsägypter in Angst

Pressefreiheit existiert nicht mehr, auf dem Index von Reporter ohne Grenzen liegt Ägypten auf Platz 161 von 180. Kürzlich wurden 21 Online-News-Portale gesperrt, darunter die Internet-Zeitung Mada Masr, die durch unbequeme und gut recherchierte Artikel aufgefallen war. Nach Informationen der Heinrich-Böll-Stiftung machen nach Deutschland geflohene Ägypter einen Bogen um Berlin, weil sie fürchten, von der dortigen Botschaft ausspioniert zu werden. Auch andere ägyptische Vertretungen wie in Rom, Istanbul und London agieren offenbar als verlängerte Arme der Staatssicherheit.

„Was machen alle diese Leute im Ausland“, polterte unlängst der Pro-Sisi-Abgeordnete Mustafa Bakri mit Blick auf die vielen geflohenen Ägypter und forderte, man solle sämtliche Kritiker heimbringen – und zwar im Sarg.

Lob aus Deutschland

Dennoch lobte die Vorsitzende der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe, Karin Maag (CDU), Ägypten als Stabilitätsanker in der Region. Die meisten Ägypter und ihre Vertreter plädierten ihr zufolge für ein starkes Präsidialregime oder hätten sich mit der „Restauration“ abgefunden: „Viele Ägypter sind zufrieden und wünschen sich, dass der Präsident ungestört seine Wirtschafts- und Sozialpolitik umsetzen kann“, bilanzierte Maag nach einem Ägypten-Besuch im März.

Man müsse vieles akzeptieren, was nicht lupenrein demokratisch sei. „Aber ich muss anerkennen, dass sich jemand Mühe gibt – wie das Parlament oder auch der Staatspräsident.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2017)

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