Heikle Themen: Obama brüskiert die Europäer

(c) Reuters (Jim Young)
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Bankdaten, Klimaschutz, Welthandel: Der US-Präsident enttäuscht die hohen Erwartungen der EU. Der Großteil der Europäer lobte zuletzt die Außenpolitik Obamas. Doch die Einreisegebühr empört viele.

BRÜSSEL. In Europa macht sich zusehends Enttäuschung darüber breit, dass es die USA auch unter Präsident Barack Obama nicht schaffen, beim Kampf gegen den Klimawandel oder der Wiederbelebung der Verhandlungen in der Welthandelsorganisation WTO hehren Worten konkrete Taten folgen zu lassen. Zudem brüskiert Washington die Europäer mit einer Zehn-Dollar-Einreisegebühr und der Forderung nach einem Abkommen über den Austausch von Banküberweisungsdaten, die Europas Datenschutz nicht Genüge tut.

Beim Kampf gegen den Treibhauseffekt steht Obama vor demselben Problem wie sein Vorvorgänger Bill Clinton. Beiden wurden oder werden in ihren Bemühungen, die USA zu rechtlich verbindlichen Zielen bei der Senkung von Treibhausgasemissionen zu verpflichten, vom Kongress in Washington die Hände gebunden. Zwar haben beide Kammern des US-Gesetzgebers, also Senat und Abgeordnetenhaus, Entwürfe für Klimaschutzgesetze erarbeitet, die vorsehen, dass die USA ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 um sieben bis 20 Prozent unter das Niveau von 1990 drücken. Bis daraus ein US-Gesetz wird, werden aber noch Monate vergehen. Zudem sind diese Ziele nach Ansicht vieler Klimaforscher zu niedrig angesetzt, um den Klimawandel einzudämmen.

Kampf um Klimaabkommen

Obama hat zwar angekündigt, am Klimaschutzgipfel in Kopenhagen teilzunehmen, der am 7. Dezember beginnt, sofern dies den dortigen Verhandlungen dienlich sei. Allerdings wird er ohne bindendes Angebot der USA, ihre Emissionen zu senken, an den Verhandlungstisch treten – oder mit einem bindenden Angebot, das kaum nennenswerte Ziele enthält. Denn das Ringen um die Reform des Gesundheitswesens bindet derzeit alle Kräfte im Kongress und im Weißen Haus.

Groß ist auch die Untätigkeit der USA in Sachen Welthandel. Während Obama eine protektionistische „Buy American“-Regel für öffentliche Aufträge eingeführt hat, die US-Hersteller und -Dienstleister bei der Vergabe von staatlichen Lieferverträgen protegiert, ist in Sachen Abbau von Handelsschranken wenig aus Washington zu hören.

„In den USA gibt es nicht viel Appetit auf diese Verhandlungsrunde“, sagte erst unlängst David O'Sullivan, Generaldirektor für Handelsfragen und einer der mächtigsten Funktionäre in der EU-Kommission, bei einer Veranstaltung des European Policy Centre in Brüssel.

Schleppende WTO-Gespräche

„Es gibt in den USA derzeit keine Industrielobbys, die die Regierung in die richtige Richtung schubsen würden.“ Seit acht Jahren versucht die Welt im Rahmen der WTO-Verhandlungsrunde von Doha, die Handelsbedingungen für die Entwicklungsländer fairer zu gestalten. Und seit acht Jahren scheitert man damit – und zwar zu einem Gutteil, weil Obamas Vorgänger George W. Bush kein Interesse an solchen multilateralen Prozessen hatte. Doch auch Obamas Regierung hat so gut wie nichts unternommen, um die WTO-Gespräche wieder in Schwung zu bringen.

Das lässt nichts Gutes für die anderen großen Probleme unserer Zeit erwarten: „Wenn wir nicht einmal in der WTO, mit ihren 50 Jahren Erfahrung, Fortschritte erzielen können – wie soll das dann bei der Regulierung der Finanzmärkte oder dem Kampf gegen den Klimawandel funktionieren?“, so O'Sullivan.

EU prüft Einführung von Visa

Zudem stößt Obamas Regierung die Europäer mit der starren Haltung bei der Verhandlung eines Abkommens vor den Kopf, das regeln soll, wie Geheimdienste Zugriff auf Banküberweisungsdaten der belgischen Firma Swift bekommen. Nach dem derzeit bekannten Stand der Geheimverhandlungen wollen die USA Daten, die sie aus Europa haben, zu Zwecken der Terrorbekämpfung an Drittstaaten weitergeben dürfen, ohne dafür vorher in Europa um Erlaubnis zu fragen.

Und richtig sauer ist man in Brüssel über die Zehn-Dollar-Einreisegebühr, die man schon in wenigen Monaten bei jeder Reise in die USA wird zahlen müssen. „Das ist nicht nur richtig, sondern in Zeiten angespannter staatlicher Budgets auch vernünftig“, hat US-Innenministerin Janet Napolitano vor zwei Wochen im EU-Parlament die Kritik der Abgeordneten eher schnoddrig abgekanzelt.

Die EU-Kommission prüft als Reaktion darauf, ob diese Gebühr einem Visum gleichkommt, wie ein Sprecher von Justiz- und Innenkommissar Jacques Barrot zuletzt bestätigte. Bejaht die Kommission die Frage, könnte die EU als Gegenmaßnahme die Visumspflicht für US-Bürger wieder einführen.

Derzeit zehrt Obama in seinem Image bei den Europäern noch davon, dass Bush hier so unbeliebt wie kein anderer US-Präsident war. 77 Prozent der Europäer unterstützten im September in einer Umfrage des U. S. German Marshall Funds die Außenpolitik Obamas – gegenüber 19 Prozent für Bush ein Jahr zuvor. Der große Zuspruch könnte sich ändern, wenn Amerika im Dezember als Sündenbock für das enttäuschende Ergebnis des Kopenhagener Klimaschutzgipfels gebrandmarkt wird – und die ersten europäischen Obama-Fans bei US-Reisen zehn Dollar am Einreiseschalter hinblättern müssen.

AUF EINEN BLICK

US-Präsident Barack Obama ist mit einem großen Vertrauensvorschuss der Europäer in seine Amtszeit gestartet. Doch nun zeigt sich Brüssel enttäuscht über die mangelnde Kooperation der USA beim Klimaschutz und im Welthandel sowie über neue US-Pläne zur Einsicht in Bankdaten. Auch eine Einreisegebühr für EU-Bürger empört Europa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2009)

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