"Twilight" im Kino: Lieber Blutsauger als Sixpack

Szene aus New Moon
Szene aus New Moon
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Teil II von Stephenie Meyers Vampirsaga: „New Moon“ in der Regie von Chris Weitz ist überwältigend albern – aber psychologisch interessant. Die schöne Bella feiert ihren 18.Geburtstag.

Erinnern Sie sich noch an Ihre Jugendzeit, als es oft traurig war, wenn ein Buch endete? Man hätte noch gern mehr über die Helden erfahren, noch 100 Seiten bitte! Darum gibt es die Fortsetzung. Zu Beginn von New Moon,TeilII der Verfilmung von Stephenie Meyers Vampirsaga, dreht sich der Mond in den Schatten: ein hinreißendes Bild. Was ist los zu Neumond? Kein Mond – und Zeit der Werwölfe, Vampire und Werwölfe: 135 lange Minuten, das Buch, wie „Potter“ beim Carlsen Verlag erschienen, hat fast 600 Seiten.

Die schöne Bella feiert ihren 18.Geburtstag. Sie will keine Geschenke, ist gepeinigt von Alpträumen. Die Familie ihres Vampirfreundes Edward lädt zum Geburtstagsfest. Dabei schneidet sich Bella, blutet und wird von den Vampiren beinahe aufgefressen. Edward verlässt Bella. Er will sie nicht gefährden. Der Indianer Jacob verliebt sich in sie. Doch Bella will nur Edward. Sie sieht ihn überall. Und mit Jacob stimmt etwas nicht.

Im Vergleich zu monumentalen Vampirgeschichten wie Bram Stoker's Dracula von Francis Ford Coppola (1992) oder zu hintersinnig-satirischen Versionen wie Tanz der Vampire von Roman Polanski (1967) ist New Moon von Chris Weitz erbärmlicher Kitsch: Kalbsäugige Youngsters, die sich die Liebe beibringen, was gibt es da für charmante Filme von Grease über American Graffiti bis „Highschool-Musical“. Selbst dieser jüngste, simpel gestrickte Teenie-Hit wirkt sophisticated im Vergleich zum schweren, faden, witzlosen New Moon. Anscheinend ist der New Yorker Chris Weitz (39) ein Weltmeister in der Banalisierung erfolgreicher und im Fall von Der Goldene Kompass sogar halbwegs intelligenter Bücher. Das Schmalz trieft ungefiltert. Ironie ist bei Meyer wie auch in der Fantasy-Community sowieso weithin verpönt – im bewusst gewählten Kontrast zur sonst in der Kunst allgegenwärtigen Ironie. Und hier wird es nun interessant. Was sagt uns New Moon über den Umstand hinaus, dass krasser Schund zu allen Zeiten ein Renner bei der Jugend war, was auch ganz in Ordnung ist? Denn das Leben ist anstrengend genug. Irgendwo will man auch träumen und sich erholen...

Der Ansatz erinnert an die Endlos-TV-Serie „Charmed“: Zauberhafte Hexen retten die Welt und kämpfen mit Männern. New Moon ist da ein emanzipatorischer Rückschritt: Hier haben fast nur die Männer das Sagen, die Protagonistin (Kristen Stewart, betörender Silberblick, tragische Pose) ist mehr ein reines Objekt der Begierde, das je mehr ersehnt wird, desto mehr es sich verweigert. Altmodischer geht's nicht.

Erotische Skurrilitäten ohne Ende

Bella steht zwischen dem bleichen, ultracoolen Edward (Robert Pattinson), auch er ein Verweigerer, und dem vitalen Jacob (Taylor Lautner). Edwards Leidenschaft für Bella darf nicht rückhaltlos lodern, sonst besteht die Gefahr, dass sie durch einen Biss in einen Vampir verwandelt wird. Bella entscheidet sich nicht für den braven Kerl Jacob, sondern für den kalten, distanzierten Edward. Später stellt sich auch der brave Kerl als Monster heraus – fast wie im richtigen Leben. Der ständige Kampf zwischen Edward und Jacob treibt die Saga voran: Wasserleiche (Edward) schlägt immer wieder Sixpack (Jacob). In den Beziehungen der drei geht es überraschend prüde zu. Seit den Sixties wurden alle sexuellen Experimente durchgenommen. Die heutigen Jungen sehnen sich offenbar nach echtem Sentiment, Cocooning und Safe Sex. Angst vor Aids. Gut. Die Schöpferin der Twilight-Saga (35) ist Mormonin. Mit 21 heiratete sie ihren Jugendfreund, mit dem sie drei Söhne hat.

Weil er einer sehr alten Familie entstammt, ist Edward sehr reich, ohne zu arbeiten, er fährt einen Volvo-Van und will Bella einen der neuen schnittigen, kleinen Audis schenken – Bella lehnt das ab. Edwards Schwester Alice, eine pfiffige Hellseherin (Ashley Greene), chauffiert einen gelben Porsche. Hier zeigt sich ein alter amerikanischer Traum: das europäische (Luxus-) Auto. Naturbursche Jacob lebt im Wald, eine paradiesische Naturlandschaft, gedreht wurde in Kanada – und in Montepulciano.

Der Wald hat wie bei Shakespeare – Vorbild für die Twilight-Saga war u.a. „Romeo und Julia“ – allerlei Gesichter: Riesige Bären und Werwölfe treiben darin ihr geräuschvolles Unwesen. Die Mutter der Werwolf-Familie führt Bella vor, was passiert, wenn man sich mit dem „Wilden“ im Manne einlässt: Eine Gesichtshälfte der Frau ist von Narben entstellt. Der Verlust des Geliebten freilich stürzt Bella in eine tiefe Depression, begleitet von Wahnvorstellungen...

Die witzigste Szene ist, als Bella und Alice einander nach einiger Zeit wieder treffen und Alice Anstoß nimmt am Gestank: Werwolf Jacob hat bei Bella seine Duftmarke hinterlassen. Er muss fürs erste weichen und verwandelt sich zum Tier. Der im Sonnenlicht glitzernde blitzsaubere Edward wirft das Totschlagargument jedes geheimnisvollen Ritters in die Waagschale: Er will Bella heiraten. Beute ohne Biss.

Über 40 Millionen Buchexemplare dieses stockkonservativen, romantischen Epos wurden bisher weltweit verkauft. TwilightIspielte 350 Millionen Dollar weltweit ein. TeilII erzielte bereits am Premieren-Wochenende mit 140,7 Millionen Dollar einen Rekord. 2012, das Maya-Katastrophen-Epos von Roland Emmerich, rangierte nach dem Football-Drama The Blind Side nur auf Platz drei. Wer braucht Katastrophen, nur die Liebe zählt. Wenn das nicht beruhigend ist.

REAKTIONEN & WAS KOMMT

„Besorgniserregende Leere“ fand Bischof Franco Perazzolo (Vatikan) in Stephenie Meyers „Bis(s)“-Vampirsaga. 14- bis 16-jährige Mädchen organisieren sich in Fanklubs wie „Beiß uns, Edward!“ oder „Carpe Noctem“. Sexualität ist in diesem Alter omnipräsent , sagt Philipp Ikrath (Institut für Jugendkulturforschung). Seit 1910 gab es über 300 Vampirfilme. Die nächsten Blutsauger warten: „Fledermausland!“ von Oliver Dierssen erscheint am 17.12. bei Heyne, „House of Night“ („Gezeichnet“) von P.C. und Kristin Cast am 29.12. bei Fischer. Der Bis(s)-Film TeilIII kommt im Juni 2010.

H

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2009)

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