Trump und trotzdem: Die große Krise der US-Demokraten

Anhänger des Demokraten Jon Ossoff reagiert geschockt auf das Ergebnis im 6. Kongress-Bezirk in Atlanta, Georgia.
Anhänger des Demokraten Jon Ossoff reagiert geschockt auf das Ergebnis im 6. Kongress-Bezirk in Atlanta, Georgia.REUTERS
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Bei Nachwahlen in zwei US-Staaten zeigt sich: Die Wähler bleiben den Republikanern trotz Trump-Krisen treu. Die Demokraten finden nach der Clinton-Krise nicht auf die Gewinnerspur zurück.

Die Ausgangslage für die Demokraten könnte nicht besser sein. Der US-Präsident steht in der eigenen Republikanischen Partei unter Druck, ein Sonderermittler prüft seine Verstrickungen in die Russland-Affäre und geht der Frage nach, ob er die Justiz beeinflusst haben könnte. Gleichzeitig laufen mehrere Klagen vor Gerichten. Die Kläger halten Trumps Vermischung von politischen und geschäftlichen Interessen für verfassungswidrig.

Und dennoch: Desaströse Umfragewerte für  Trump halten die Wähler nicht davon ab, ihre traditionelle Bindung zu den Republikanern beizubehalten. Eine Umfrage im Auftrag der "Washington Post" und der Kaiser Foundation hat gezeigt, dass traditionelle Wählerbindungen und der Schnitt zwischen ländlichen und urbanen Räumen viel bedeutender für die Wahlentscheidung sind als etwa die aktuelle wirtschaftliche Situation. Das haben auch die Nachwahlen im Repräsentantenhaus in zwei Stimmbezirken in Georgia und South Carolina gezeigt, in denen die republikanischen Kandidaten einen Sieg einfahren  konnten.

Hillary Clinton und deren Wahlniederlage gegen Trump bei den Präsidentschaftswahlen im November hat die Demokratische Partei in ein Tal der Tränen gerissen, sie findet sich in einem riesigen Dilemma: Den vielleicht angreifbarsten US-Präsidenten der Geschichte im Visier, fehlen den Demokraten die Mittel, um ihn entscheidend anzugreifen - finanziell, personell und programmatisch. "Die Partei hat ihr niedrigstes Macht-Level seit 1920 erreicht", schreibt das Politikmagazin "The Atlantic".

Die Washington-Blase

Fast täglich berauschen sich die US-Demokraten am verheerenden Auftritt von Donald Trump. Wenn Charles Schumer, der Oppositionsführer im Senat, den Präsidenten lächerlich macht, Bernie Sanders seine Sozialpolitik vorführt und Nancy Pelosi glühend an Trump appelliert - dann fühlen sie sich überlegen. Täglich zeigen die Hauptstadt-Demokraten dem Weißen Haus sein Versagen auf - und bekommen Applaus von den Medien.

Doch außerhalb der Washingtoner Politik-Blase bekommen sie kaum einen Fuß auf den Boden. In inzwischen vier Nachwahlen hatten sie versucht, den Republikanern angestammte Sitze im Abgeordnetenhaus streitig zu machen - vergebens. Selbst als sich in Montana der Republikaner-Kandidat am Abend vor der Wahl mit einem Reporter prügelte, konnten die Demokraten nicht entscheidend punkten.

Im sechsten Wahldistrikt von Georgia boten sie sogar eine Summe für den Wahlkampf ihres Hoffnungsträgers Jon Ossoff auf, die bisher nicht dagewesen war, für einen einzelnen Stimmbezirk. Es half alles nichts. Auch der junge Ossoff konnte die republikanische Phalanx nicht brechen

Wer macht's 2020?

Die Frage ist drängender denn je: Wer soll die US-Demokraten 2020 in den Wahlkampf führen? Wer könnte die Nachfolge von Donald Trump antreten und in die Fußstapfen Obamas treten? Die Personallage der Demokraten scheint desaströs. Die wenigen frischen Hoffnungsträger wie Cory Booker sind bisher den Beweis der Durchschlagskraft schuldig geblieben. Jon Ossoff sagte in der Nacht auf Mittwoch: "Dies ist der Start zu etwas viel Größerem." Er sagte es nach einer Niederlage.

Die Platzhirsche im liberalen Lager sind alle gesetzten Alters. Nancy Pelosi wäre 2020 schon 80 Jahre alt, Bernie Sanders, immer wieder als möglicher nochmaliger Bewerber genannt, wäre 79. Und Joe Biden, gegenwärtig in Umfragen der Favorit bei den demokratischen Wählern, würde mit 77 Jahren in den Präsidentschaftswahlkampf gehen.

Programmatisch kam in den fünf Monaten der Trump-Präsidentschaft bisher fast gar nichts aus dem Lager der Demokraten. Die Oppositionsarbeit beschränkt sich praktisch ausschließlich auf die Kritik an Trump und den Republikanern - egal ob es gerade um Gesundheitsreformen, Steuererleichterungen oder Infrastruktur geht. Es ist ein gefährlicher Weg. Der demokratische Trump-Vorgänger Barack Obama hat den Republikanern einst vorgeworfen, reine Obstruktionspolitik zu betreiben. Jetzt müssen die Demokraten ihren Wählern erklären, warum sie Jahre später genau dasselbe tun. Trump beginnt bereits, das auszuschlachten.

Alles auf Clinton gesetzt

Die Demokraten haben sich entscheidend verkalkuliert. Sie setzten alles auf die Präsidentschaft in Person von Hillary Clinton. Bewusst nahmen sie Verluste im ruralen Amerika in Kauf, konzentrierten sich auf die großen Städte, vor allem an den Küsten. Doch Hillary Clinton war das falsche Pferd. Sie wollten nicht wahrhaben, was jetzt klar ist: Der Hass auf die E-Mail-Sünderin Clinton auf dem Land ist größer ist als die Furcht vor dem "Polit-Clown" Trump - so ihre Sicht - in der Stadt. Dass Clinton sich nach ihrer Niederlage mit harschen Worten die Partei für den Misserfolg verantwortlich machte, dürfte im Weißen Haus mit Wohlwollen aufgenommen worden sein.

Sie hinterließ ein Fiasko. Die Partei ist von den wohl aus Russland kommenden Hacking-Angriffen in ihrer Moral getroffen. Die Enthüllungen stellten eine in sich zerrissene Organisation zur Schau, ohne Bindung zum Volk. Sie führten zu einem personellen Aderlass und zur moralischen Fragwürdigkeit. Die Wahlen 2016 kosteten die Demokraten nicht nur das Weiße Haus. Sie mussten in den Staaten und den Rathäusern so viele Federn lassen wie noch nie. Abgeordnete, Senatoren, Gouverneure und Bürgermeister - die Wähler straften alle ab.

Die Probleme sind inzwischen erkannt. "Wir waren vielleicht zu sehr auf die Präsidentschaft aus. Aber jetzt gibt es einen neuen Geist in der Partei", sagt der stellvertretende Vorsitzende Keith Ellison. "Wir sind die Partei von der Ostküste bis zur Westküste und alle zwischendrin." Doch wie er das machen will, ist unklar. Bernie Sanders bleibt mit seiner linken Gerechtigkeits-Bewegung das einzige stabile Bollwerk. Dass dies reicht, um bei den Midterm-Parlamentswahlen 2018 die republikanische Mehrheit zu brechen, scheint Wunschdenken zu sein.

(APA/dpa/Michael Donhauser)

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