Der Kanzler will über die Finanzierungsfrage reden. ÖVP-Chef Kurz hofft "auf eine schnelle Einigung". Finanzminister Schelling hält das rote Erbschaftssteuermodell für "Vollholler zur Potenz".
Die SPÖ erhöht den Druck auf den scheidenden Koalitionspartner, um das Ende des Pflegeregresses noch diese Woche im Nationalrat zu fixieren: "Wir werden die Abschaffung einbringen - mit oder ohne ÖVP", betonte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Mittwoch nach dem Ministerrat vor Journalisten. ÖVP-Chef Sebastian Kurz verwies auf laufende Gespräche und hofft "auf eine schnelle Einigung".
Es gehe um 40.000 Familien, die "alles verlieren", wenn sie zu Pflegefällen werden, bekräftigte Kern. Man dürfe hier "keine politischen Spielchen" spielen. Den Regress abzuschaffen, sei dringend notwendig, "wir werden das tun - mit oder ohne ÖVP".
Kern: "Gerne bereit, über die Finanzierung zu reden"
Den Pflegeregress abschaffen will auch die ÖVP - Knackpunkt ist derzeit noch die Finanzierung. "Wir sind gerne bereit, über die Finanzierung zu reden", sagte Kern. Die SPÖ habe einen Vorschlag gemacht, verwies er auf die Erbschaftssteuer ab einer Million Euro. Darauf angesprochen, dass die Volkspartei von der roten Erbschaftssteuer nichts hält und zur Gegenfinanzierung stattdessen Einsparungen vorschlägt, erklärte Kern: "Wenn man 200 Millionen sparen kann, indem man ein Bild auf die E-Card klebt, dann sind wir gerne dabei - allerdings darf man leichte Zweifel haben, ob diese Form der Finanzierung sich wirklich ausgeht."
Kurz sagte unterdessen, "wir hoffen auf eine schnelle Einigung". Es brauche dafür aber eine "ordentliche Finanzierung". In der SPÖ gebe es Bereitschaft dazu, die Frage der Gegenfinanzierung zu lösen. Kurz verwies neuerlich auf den Missbrauch von E-Cards und hohe Bürokratiekosten im Gesundheitsbereich, wo man Geld lukrieren könnte.

Der in die Gespräche eingebundene Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ging indes von einer Einigung bis heute Abend aus, dann werde er sich auch zur konkreten Gegenfinanzierung äußern, kündigte er an. Seine Aufgabe sei es, die Position im Budget sicherzustellen, damit die Abschaffung des Pflegeregresses kein leeres Versprechen bleibe.
Angesprochen auf die von der SPÖ vorgeschlagene Erbschaftssteuer, ergänzte Schelling im Ö1-„Mittagsjournal“: „Das Thema ist ja wie das Sommerloch bei Loch Ness.“ Seine Position sei wie gehabt: „Keine neuen Steuern.“ Und, so fügte er hinzu: „Ich habe mir das Modell angeschaut – in der Sprache des Bundeskanzlers würde er, wenn er es seriös betrachtet, irgendwie sagen: 'Das ist Vollholler zur Potenz'.“
Grüne wollen sich SPÖ-Antrag "genau anschauen"
Die Grünen befürworten eine Abschaffung des Pflegeregresses, sind aber skeptisch, ob es wirklich zu einem Beschluss kommt. Sozialsprecherin Judith Schwentner erklärte am Mittwoch, die Grünen würden sich den von der SPÖ angekündigten Antrag "genau anschauen" und dann entscheiden ob sie mitgehen. Sie hält die Initiative aber eher für "Wahlkampfgetöse". Der Ansatz von Kurz, Leistungen im Sozial-und Gesundheitsbereich einzusparen, ist für Schwentner "völlig inakzeptabel". Und mit der Behauptung, die Abschaffung des Pflegeregresses mit dem Abstellen von Sozialmissbauch finanzieren zu wollen, schüre Kurz nur Ressentiments. Schwentner forderte den ÖVP-Obmann auf, konkrete Zahlen dazu vorzulegen.
>>> Bericht im Ö1-„Mittagsjournal“
(APA/Red.)