Frauen-EM: Fußball als Familienfest

Schweden lieben Sportfeste, bunt bemalt und bester Laune – ein Erlebnis für jung und alt.
Schweden lieben Sportfeste, bunt bemalt und bester Laune – ein Erlebnis für jung und alt.(c) APA/AFP/DANIEL MIHAILESCU (DANIEL MIHAILESCU)
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Familiär geht es bei der Endrunde in den Niederlanden zu, zum Schlager zwischen Deutschland und Schweden kamen viele Väter mit Kindern. Die Stimmung war besser als das Spiel.

Breda. Erstmals gastiert die Fußball-EM der Frauen in den Niederlanden, sieben Städte dienen als Bühne. In Breda, im Südwesten des Landes, fand am Montagabend der erste große Schlager zwischen Titelverteidiger Deutschland und Schweden (0:0) statt, zugleich das Duell der beiden Teams mit der größten Anhängerschaft bei diesem Turnier, abgesehen vom Gastgeber. Die Fans beider Lager machten sich auch im Stadtbild deutlich bemerkbar, auf den Terrassen der Restaurants dominierten die weißen und gelben Trikots.

Bei der Frauen-EM ist alles etwas kleiner, dafür gemütlicher. So herrschte auch beim Public Viewing in der Nähe des Hauptbahnhofs kein Gedränge, sondern ein Miteinander zwischen Hängematten und Sitzsäcken; statt gegrölten Fanchorälen erklang lautes Kinderkreischen. Wen der erste russische Sieg bei einer EM gegen Italien nicht interessierte, der machte es sich nebenan im Park gemütlich. Doch egal wohin man blickte: einmal mehr wurde deutlich, dass Frauenfußball vor allem ein Familienfest ist.

Generationsübergreifend

Auch Martin reiste für die Neuauflage des Olympia-Finales von Rio de Janeiro (Deutschland gewann 2:1) mit der Familie aus Südschweden an. Großvater, Onkel und seine beiden Söhne hat er mitgebracht – und die Frauen? „Die sind zu Hause, die interessiert Fußball nicht“, erklärte er lachend. Die schwedische „Damlandslaget“ zählt zu den erfolgreichsten Mannschaften der Welt und kann sich bei Turnieren stets auf lautstarke Unterstützung aus der Heimat verlassen. So sind derartige Ausflüge für die beiden älteren Herren schon lieb gewonnene Tradition, für Martin und die Buben war es hingegen die EM-Premiere. „Es ist viel ruhiger und angenehmer mit den Kindern“, bescheinigte der Inhaber einer Fahrschule. Und im Vergleich zu den Männerturnieren natürlich auch ein echtes Schnäppchen: Zehn bzw. 20 Euro kosten die Tickets für Erwachsene, bis 15 Jahre zahlt man nur die Hälfte.

Überrascht zeigte sich Martin, dass Österreich in den Niederlanden zum allerersten Mal dabei ist. In Schweden sei der Frauenfußball dank seiner langer Tradition im Fanbewusstsein angekommen, „selbstverständlich“ werden die Spiele der Nationalmannschaft im Fernsehen übertragen. „Aber es kann ja auch sehr spannend sein, mitzuerleben, wie sich etwas entwickelt“, meinte er zum Abschied und versprach, den ÖFB-Frauen für die Premiere die Daumen zu halten. Nach dem mageren Abschneiden der Männerteams in Frankreich habe Fußball-Österreich schließlich ebenso wie die schwedische Seele Erfolgserlebnisse nötig.

Nena, Abba und kein DFB-Sieg

Ausverkauft war das Rat Verlegh Stadion, Heimstätte von NAC Breda, mit 10.000 Besuchern am Ende nicht, der Stimmung tat das jedoch keinen Abbruch. Zu Hits von Nena und Abba wurde aufgewärmt, beim Kultklassiker „Mamma Mia“ klatsche und tanzte auch Schwedens Teamchefin Pia Sundhage auf dem Rasen mit. Die Performance der beiden Mannschaften konnte da nicht ganz mithalten, das DFB-Team agierte nach dem von Neo-Trainerin Steffi Jones eingeleiteten Umbruch ungemein nervös und fand kaum ein Mittel gegen die disziplinierte Abwehr der Schwedinnen. Erst in der letzten halben Stunde kam Schwung in das deutsche Offensivspiel, die eingewechselte Mandy Islacker vergab jedoch zwei Topchancen. Somit blieb Deutschland erstmals seit 1995 gegen Lieblingsgegner Schweden ohne Sieg. Zur Mission EM-Titel Nummer sieben in Folge braucht es eine deutliche Steigerung.

Die Abreise vom Stadion erfolgte in ebenso gesitteter Atmosphäre, der Busfahrer entschuldigte sich für seine fehlenden Schwedisch-Kenntnisse und wünschte auf Deutsch und Englisch noch einen schönen Abend. Das kleine Mädchen im Deutschland-Trikot war dennoch untröstlich. Keine Tore und kein Ball, klagte sie ihrem Vater das enttäuschende Fazit des Abends. Dessen Aufheiterungsversuch: „Im Halbfinale oder Finale probieren wir es wieder.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2017)

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