Suchtgift: Zehn Prozent mehr Drogen-Anzeigen

Home grower Charly shows marijuana buds in his house in Montevideo
Home grower Charly shows marijuana buds in his house in Montevideo(c) REUTERS (ANDRES STAPFF)
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2016 wurden mehr als eine Tonne Cannabisprodukte und mehr synthetische Drogen sichergestellt. Die Strategie ist, den Handel aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen.

Wien. In Österreich sind im vergangenen Jahr mehr als 36.000 Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz erstattet worden, rund zehn Prozent mehr als 2015, das geht aus dem Suchtmittelbericht 2016 des Innenministeriums hervor. Sichergestellt wurden mehr als eine Tonne Cannabisprodukte, fast 87 Kilo Kokain, knapp 69 Kilo Heroin, an die 30.000 Stück Ecstasy, fast 88 Kilo Amphetamine und an die fünf Kilo Methamphetamin. Zum Vergleich: 2015 war es wesentlich mehr Kokain, dafür deutlich weniger Ecstasy, Amphetamine und Methamphetamin. Die beschlagnahmten Mengen an Heroin und Cannabis sind annähernd gleich geblieben.

Bedeutet der Anstieg bei den Anzeigen, dass in Österreich mehr konsumiert und gehandelt wird als zuvor? Eher nicht. Drogenhandel (und Konsum) gilt als klassisches Kontrolldelikt: Straftaten treten erst durch Aktivitäten der Behörden ans Tageslicht. Die Statistik sagt also mehr über die Aktivitäten der Polizei als jene auf dem Drogenmarkt.

Sobotkas Ziel: Verdrängen

Und die beträchtlich gestiegene Zahl der Anzeigen ist auch zumindest teilweise auf die Novelle des Suchtmittelgesetzes zurückzuführen, die am 1. Juni 2016 in Kraft getreten ist. Seither ist es der Polizei leichter möglich, Dealer in U-Haft zu nehmen; bzw. wurde damals ein unglückliches Gesetz repariert, demzufolge Polizei und Justiz Dealern zuvor gewerbsmäßigen Handel und Einkünfte von zumindest 400 Euro im Monat nachweisen mussten, um sie in U-Haft bringen zu können. Seit den aufgeregten Debatten um offenen Drogenhandel in Wien Anfang vorigen Jahres, besonders entlang der U6, hat die Polizei ihre Aktivitäten merklich verstärkt. Auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) erklärte anlässlich der Präsentation des Reports am Donnerstag, es sei deklariertes Ziel, den Drogenhandel aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Sonst würden Orte, an denen gedealt wird, von Familien mit Kindern etwa gemieden. „Wir werden alles daransetzen, den Kontrolldruck aufrechtzuerhalten“, kündigte Sobotka an.

(C) DiePresse

Allerdings ist Dealen längst kein Phänomen der Großstadt mehr. „Wir stellen fest, dass es mittlerweile auch in mittelgroßen Städten eine Szene gibt“, erklärte der Innenminister. Entscheidend sei auch da die Zusammenarbeit mit Sozialhilfeeinrichtungen in den Ländern. Eine Verbesserung erhofft sich der Minister auch durch das Ende Juni im Nationalrat beschlossene verschärfte Fremdenrecht, das Abschiebungen von Dealern erleichtern soll.

Bei den Verbrechen gegen das Suchtmittelgesetz (das sind Delikte, die mit mehr als drei Jahren Strafe bedroht sind, bei denen es also um größere Mengen an Suchtmitteln geht) waren Ausländer unter den angezeigten Tatverdächtigen erstmals mit 51 Prozent der Angezeigten in der Mehrheit.

Bei Vergehen (Delikten mit maximal drei Jahren Strafrahmen) waren hingegen nur knapp 33 Prozent der Angezeigten Ausländer. Nimmt man Vergehen und Verbrechen zusammen, waren Österreicher mit knapp 62 Prozent der Angezeigten in der Mehrheit.

Prävention gegen Onlinehandel

Neben Kontrollen des Straßenhandels geht es bei der Bekämpfung des Drogenhandels zunehmend um das Darknet. Weil man dem Handel in den verborgenen Teilen des Internets kaum beikommt, setzen die Behörden da auch auf Prävention: Für ein Projekt wurden 120 Beamte geschult und haben seit 2016 nun 38.000 Teenager im Alter von 13 bis 15 Jahren erreicht.

Dass der verborgene Teil des Internets Dealerei im öffentlichen Raum ablösen wird, glaubt Konrad Kogler, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, aber nicht: „Das Darknet verdrängt nicht den Straßenhandel.“ (cim)

AUF EINEN BLICK

Mehr Kontrollen der Polizei. Seit der Aufregung um öffentlichen Drogenhandel in Wien im Frühjahr 2016 ist die Polizei bei dessen Bekämpfung merklich aktiver geworden: Dementsprechend ist die Zahl der Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz voriges Jahr um rund zehn Prozent gegenüber dem Jahr zuvor gestiegen. Innenminister Sobotka will den Kontrolldruck aufrechterhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2017)

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