Prozess: Polizisten beinahe getötet

Zirka 100 km/h soll der Angeklagte bei dem Zusammenstoß gefahren sein.
Zirka 100 km/h soll der Angeklagte bei dem Zusammenstoß gefahren sein.(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Ein Häftling, der Freigang bekommen hatte, krachte mit einem Motorrad in einen Polizisten. Damit befasste sich nun ein Gericht.

Wien. „Ich liebe Motorräder“, sagt Erdinc A. Und fügt an: „Ich bin aber seit mehr als vier Jahren nicht mehr gefahren.“ Darüber darf man sich wundern. Denn der 30-Jährige hat gar keinen Führerschein.

Am 22. September vorigen Jahres kam es zur Katastrophe. A. raste mit weit überhöhter Geschwindigkeit (laut Anklage mit knapp 100 km/h) gegen einen Polizisten, der auf einem Fußgängerübergang bei der Kreuzung Langenzersdorfer Straße/Rußbergstraße in Wien-Strebersdorf den Verkehr regelte. Der Uniformierte war zur Schulwegsicherung eingeteilt. Er erlitt schwerste Verletzungen und überlebte – nach zwei Wochen im künstlichen Tiefschlaf. Am Mittwoch erklärt Gruppeninspektor F., der aus gesundheitlichen Gründen nie wieder Dienst versehen kann, als Zeuge im Strafprozess gegen A.: „Meine Überlebenschancen standen bei fünf Prozent.“

A. war zur Tatzeit Häftling. Wegen Betrügereien und Einbrüchen verbüßte er eine vierjährige Freiheitsstrafe im niederösterreichischen Gefängnis Hirtenberg. Am Tattag hatte er Freigang. Der sollte ihn auf ein rechtschaffenes Leben in Freiheit vorbereiten. Dieser Zweck wurde deutlich verfehlt.

A. bastelte sich aus Karton Kennzeichentafeln für eine 175 PS starke Yamaha, die sich sein Bruder gekauft hatte. Der Freigänger wollte nämlich unbedingt wieder Motorrad fahren. Das letzte Mal, siehe oben, war ja eben schon „mehr als vier Jahre her.“ Als eine Funkstreife auf das Motorrad mit den Kartonkennzeichen aufmerksam wurde und das Blaulicht einschaltete, raste A. davon.

„Alles nur noch schlimmer“

Als er in die Nähe des Polizisten kam, gab dieser mit dem Arm Stoppzeichen. Laut einer Zeugin wurde der Motorradfahrer ein bisschen langsamer. Die Zeugin: „Ich glaube nicht, dass der Motorradfahrer in den Polizisten hineinfahren wollte, ich glaube, er hat gedacht, er kommt irgendwie links an ihm vorbei.“ Erneut beschleunigte A. die hochgezüchtete Maschine und raste weiter. Der Beamte habe laut der Zeugin noch versucht durch einen Schritt in Richtung Fahrbahnmitte das Vorbeifahren zu verhindern. Da kam es zum Zusammenprall. Der Beamte flog durch die Luft, zehn bis 15 Meter weit. Mit einem Schädelbruch und multiplen schweren Verletzungen musste er noch an Ort und Stelle reanimiert werden.

„Ich kann mich nicht daran erinnern“, so das Opfer. Dasselbe behauptet A., der ebenfalls zu Sturz kam und verletzt wurde. Auf die Frage, warum er sich so verhalten habe, sagt A.: „Als ich das Blaulicht bemerkt habe, hab' ich Panik bekommen. Ich hatte Angst, alles zu verlieren, die Ausgänge und so. Aber es ist alles nur noch schlimmer geworden.“ Der Prozess wird am 9. Oktober fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2017)

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